Der Kalte
Kulturstadträtin.
»Ich bin doch der Krieglach. Das da drin ist das Antifaschismusmahnmal vom Herbert Krieglach und nicht von irgendeinem Wappler, bei dem nachgeschaut werden muss, was er wie gemacht hat. Haben wir uns schon verstanden?«
»Sicher.« Sie stand auf. »Dann will ich mal«, sagte sie über die Schulter und ging zur Eingangstür. »Übrigens gibt es ein paar Schwierigkeiten.«
»Welche?« Krieglach bellte das Wort zu ihr hin und griff sich seine Pfeife.
»Professor Gall hat einen Brief geschrieben, der morgen im Kurier erscheinen wird. Es sei unmöglich, auf dem Philippgrund ein Denkmal hinzustellen. Man störe eklatant die Totenruhe der Bombenopfer.«
»Eklatant?«
»Äußerst eklatant. Man möge das Denkmal am Morzinplatz errichten.« Krieglach verzog sein Gesicht.
»Vorige Woche«, sagte er säuerlich, »hat der Abgeordnete Rindinger von den Freiheitlichen vorgeschlagen, man sollte es, wenn mans schon haben muss, in der Lobau bei der Dechantlacke aufstellen. Da könnte sich die linke FKK -Schickeria daran verlustieren.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ein Scherz.«
»Der christliche Gewerkschafter Humer will es vor dem vierten Tor am Zentralfriedhof hintun, damit es vielleicht einen Schatten auf den Judenfriedhof wirft.«
»Das hat er gesagt?«
»Scherz«, schnaubte Krieglach. »Ich werde Räder am Denkmal anbringen. Dann können sie es einmal dahin, einmal dorthin rollen, ganz wie die politische Stimmung grad ist in diesem Scheißland. Wäre das nicht eine großartige Idee?«
»Witzig.«
»Eben, Hedwig, eben.« Er erhob sich, ging hin und her und begann plötzlich loszubrüllen.
»Ich will die Bombentoten in ihrer Ruhe stören. Ich will sie aufwecken noch vorm Jüngsten Gericht, damit sie kapieren, was für einen sinnlosen, blöden Tod sie gestorben sind für ihren geliebten Adolf. Zuerst am Heldenplatz stehen und Heil mein Führer rufen, dann unter den Trümmern des Philipphofes liegen.« Krieglach blieb stehen. Mit ruhiger Stimme fuhr er fort:
»Das ist ja der Witz der Sache. Weil sie Heil mein Führer gerufen hatten und ihm gefolgt waren, deshalb gabs zum Dessert des Großen Fressens die Bomberln auf den Philipphof. Und das, Hedwig, sollen sie wissen. Das soll ihnen so ins Gebein fahren, dass sie aufgestört sich mit Geklapper und Geschepper immer wieder auf die Stirn schlagen müssen, was für Trotteln sie waren alle miteinander. Dann erst gibts Totenruhe, verstehst?«
Die Kulturstadträtin legte ihren Kopf in den Nacken und lachte. Krieglach schaut ihr ein Weilchen dabei zu, dann stimmte er ein.
Nachdem sie gegangen war, rief er seine Frau an, sagte ihr, er bleibe noch im Atelier, sie möge allein nach Edlach fahren, er komme morgen oder übermorgen nach. Einen Widerspruch duldete er nicht, denn als er ihn vernommen hatte, beschimpfte er sie mit den gewöhnlichsten Worten und schmiss den Hörer auf die Gabel. Den ganzen Tag ging er zwischen den Blöcken, hämmerte hier, bosselte da, brummte, schnaufte, und in der letzten Stunde schrie er beim Hämmern. Nun lag er unter der Bettdecke, festgefroren und festgeglüht zugleich an den Katastrophenkörpern der Zeit, hineingenommen in seinen totenähnlichen Schlaf. Während er die Nacht durchsägte, sammelten sich in Leib und Seele neue Kräfte, sodass er am nächsten Tag wieder bereit stand mit dem großen Hammer.
Doch er ließ ihn sinken, legte ihn weg, verhüllte die Stücke.
29.
Edmund Fraul ging, wie so oft wiederum auf der Leopoldstädter Seite stromaufwärts. Je mehr er sich seinem Zuhause näherte, desto unbehaglicher ward ihm zumute. Er drehte den Kopf nach links und betrachtete die Häuserzeile am Kai, sah in den Laurenzerberg hinein und in die Rotenturmstraße. Der Bettler kam ihm wieder in den Sinn, der seinem Hut hinterherlief, und der junge Apolloner, der ihm einst im Café Korb recht intelligente Fragen gestellt hatte. Er blickte zurück zu der Fassade des Verteidigungsministeriums. Wer saß wohl hinter den Fensterscheiben, zusammengekrümmt über Plänen, die das Wohl und Weh des österreichischen Vaterlandes berücksichtigen mussten. Was sind das für Leute, dachte sich Fraul, die im Ministerium hocken. Alte Nazis und ihre jungen im Sinne des Barras erzogenen Söhne? Sekretärinnen, Töchter von Kriegerwitwen? Schaut ein Brigadier nicht soeben aus dem Fenster und hat ein Nachtfernglas vor den Augen? Schaut er mir auf die Schläfe, der Herr General? Mit der Linken verwedelte Fraul sich die Gedanken, setzte
Weitere Kostenlose Bücher