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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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irgendwie mit ihren Herzschlägen zusammenhing, und das ängstigte sie. Sie wandte sich der Stationsschwester zu, die ihr Lächeln sofort erwiderte. Die beiden begannen zu plaudern und den Tee zu trinken. Margit sah durch die halb offene Tür die Gestalt von Inge Haller vorbeihuschen. Hintennach liefen zwei Schwestern, und kurz darauf rannten noch einige Richtung Aufzug.
    Inge Haller hatte Nachtdienst, aber Margit Dienstschluss, und so machte sie sich fertig, um hernach in ihre öde Wohnung zu fahren und die tägliche Portion Weinkrampf zu empfangen. Als sie mit dem Aufzug abwärtsfuhr, stand der blonde Assistenzarzt Guido Messerschmidt neben ihr. Immer wenn er sie sah, errötete er und seine Augen schienen sich selbst dabei zu beobachten, sodass der junge und dünne Mensch ein bisschen hilflos aussah. Margit kannte ihn noch nicht gut, aber dass er in sie verliebt war, wusste sie sicher. Nun rührte sie dieses Wissen an, sodass Messerschmidt bestürzt die Traurigkeit in ihren Augen wahrnahm, obwohl sie ihm zulächelte.
    »Dienstschluss?«, stotterte er. Margit nickte. Als sie aus dem Aufzug traten, jeder an seiner Statt und nachdem Margit sich von ihm verabschiedet hatte, hörte sie auf dem Weg zum Ausgang, dass jemand den Namen Fraul nannte. Sie stutzte, sah sich um und gewahrte eine Ansammlung von Menschen beim Ausgang. Als sie dort eintraf, kam der Portier aus seiner Loge. Er erkundigte sich, ob sie die Frau Doktor Keyntz sei, und richtete ihr aus, sie möge zur
Frau Doktor Haller in die Notaufnahme kommen. Sie machte, ohne sich zu bedanken, kehrt und stürzte nachgerade dorthin. Dabei purzelten in ihr die Bilder vom verunglückten Fraul und der von Gehlen durcheinander, und ein nicht unangenehmer Kitzel breitete sich in ihr aus.
    In der Notaufnahme angekommen, sah sie Inge Haller sofort. Sie umstand mit einigen Leuten eine Patientin, beugte sich zu ihr und schien beruhigend auf sie draufzureden. Wer mochte das sein, dachte Margit und kam langsam näher. Haller richtete sich auf, das Krankenbett verschwand mitsamt den Leuten darum herum im angrenzenden Raum. Die Oberärztin ging Margit entgegen. So erfuhr diese, dass Rosa Fraul mit Herzinfarkt hier sei. Der wäre eher gravierend.
    Margit beschloss, im Spital zu bleiben. Sie fuhr hinauf, zog sich um und erschien hernach wiederum. Sie stand dabei, als an Rosa Fraul das Unumgängliche getan wurde, konnte bloß zusehen und warten. Schließlich ging sie mit Inge Haller weg von der Patientin und in den Nebenraum.
    »Verständigst du wen?«, fragte Haller. In dem Augenblick trat Edmund Fraul zu den beiden.
    »Mein Name ist Fraul, guten Abend. Meine Frau soll hier sein.«
    »Guten Abend. Sie sind Herr Fraul«, sagte Haller. »Das ist Doktor Keyntz. Ihre Frau hat wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten.«
    »Erlitten«, erwiderte Fraul. »Stirbt sie?« Haller schwieg und schüttelte dann den Kopf.
    »Wollen Sie hierbleiben?« Er bejahte, sah sich um und setzte sich in einen der Wartesessel. Haller verabschiedete sich und ging zurück zu Rosa. Margit blieb vor Edmund Fraul stehen. Karl schaut ihm gar nicht ähnlich, dachte sie. Sie stellte sich als Freundin seines Sohnes vor. Ob er ihn ver
ständigt habe. Sie werde ihn jetzt anrufen. Ihr kam vor, dass der Alte unter Schock stehe, denn er reagierte kaum.
    »Jaja«, sagte er bloß. Und: »Tun Sie das.«
    Sie ging und rief von ihrer Station bei Karl an. Während es läutete, brach ihr der Schweiß aus. Karl war nicht daheim. Sie überlegte, ob sie bei Astrid von Gehlen anrufen sollte. Die Nummer müsste sie erst herauskriegen. Als sie zurückging und neben Edmund Fraul Platz nahm, rührte er sich nicht, sah sie flüchtig an und dann auf den Fußboden. So verging die Zeit.
    Plötzlich fiel ihr ein, dass sie Karls Wohnungsschlüssel noch immer an ihrem Schlüsselbund hatte.
    »Ihr Sohn ist nicht daheim«, sagte sie zu Fraul. »Ich habe noch einen Schlüssel, ich fahre hin und hinterlasse ihm eine Nachricht.« Fraul wendete seinen Kopf, betrachtete sie.
    »Danke«, sagte er dann. Margit erhob sich, lief, wie sie war und auch ohne Mantel aus dem Spital.
    30.
    Ich stand vor meinem Auto. Im Arztkittel war nichts, ich sah gar nicht an mir herunter, war wie erstarrt und verspürte nichts als Bitternis. Sie füllte mir den Mund, als hätte ich Messingschnallen gelutscht, der Ärger über die im Dienstzimmer gebliebenen Autoschlüssel war eingehüllt in einer meinen Körper ausfüllenden Schwere. Ich drehte mich um und trottete

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