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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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nannte, und schüttete es dazu. Emmy bedachte diese Verrichtung mit einem kurzen Blick, um sich hernach ihren Tee an die Lippen zu führen. Er schwieg.
    Gestern Abend war Emmy aus Edlach allein zurückgekehrt, sie war in der Wohnung Schadekgasse etwas zugange, fuhr noch spät nach Einwilligung ihres Gemahls in sein Atelier, um hier bei ihm zu übernachten. Nächsten Tag wollte sie mit ihm einen ausgedehnten Spaziergang im Prater unternehmen, damit er nach tagelangen und angestrengten Arbeiten sich wieder in den Alltag eingehen konnte. Ohne sie würde Krieglach den ganzen Tag im Atelier verbleiben, seinem Getränk zusprechen und zeichnen. Wenn bei anderen Gedanken durchs Hirn strichen, dann fertigte er stattdessen Kritzelzeichnungen an, große nervöse kreiselhafte Ausrückungen, schnell und mit Geschnaufe hingeworfen. Ohne Emmy würde er nachmittags einnicken, sich in Kriegsträumen wälzen, um hernach weiter und weiter zu kritzeln und zu schnaufen. Abends würde er sich aufmachen, seinen Galeristen in der Zollergasse aufzusuchen. Wenn sich niemand anderer einfand, würde er mit dem Galeristen zu politisieren anfangen, sich im Laufe des Abends
immer mehr und weiter in Rage reden. Emmy würde ihn von dort abholen. Dann würden die beiden noch in ein Lokal gehen, etwas essen, und Krieglach würde dort weitere Leute finden, mit denen er streiten und schimpfen konnte. Emmy saß stets ruhig dabei, schätzte den Zeitpunkt ab, an dem sie begann, ihren Mann von der jeweiligen Auseinandersetzung wegzuzerren, oder sie erkannte vor ihm seinen Müdigkeitsgrad, sodass es ihr möglich wurde, ihn sachte zum Aufbruch zu bringen.
    Als nun das Telefon läutete, warf Emmy einen Blick auf Herbert. Er hob seine Augen zum Plafond und stand auf. Während er mit dem Bürgermeister redete, trug sie das Geschirr hinaus. Als sie zurückkam, saß er in seinem Sessel.
    »Purr kommt.«
    »Wann?«
    »Gleich.«
    »Was will er?«
    »Geht dich nichts an.«
    »Geh ich?«
    »Bleib.«
    Purr hatte in der linken Hand Blumen, in der rechten eine Flasche Zubrówka. Emmy Krieglach nahm ihm den Mantel ab und die Blumen, führte ihn herein. Krieglach stand auf, verneigte sich, breitete die Arme aus.
    »Was führt dich her, mein Fürst, welche Mühe, um elf am Vormittag?« Und er nahm den Zubrówka entgegen. Purr lachte und wollte antworten.
    »Sag nichts, Doktor Purr. Lass mich raten.«
    »Kaffee?«, fragte Emmy. Purr nickte. Sie ging.
    »Du willst dir das Monumenterl anschauen, welches ich da hinten stehen hab, und verhüllt, wie du schnell bemerken wirst.«
    »So ist es, Herbert. Ich bin verpflichtet, mir vor den großen Streitereien im Gemeinderat das Wunderwerk anzuschauen. Du wirst verstehen, ich muss ja kennen, was ich verteidige und vertrete.«
    »Das musst du nicht, Schorschi, das musst du einen Dreck. Du kennst mich, du kennst mein Zeug, du hast die Entwürfe gesehen, wir haben gequatscht, und jetzt musst du dich überraschen lassen, wie alle. Schnapsl?«
    »Nein danke. Herbertl, das geht nicht. Ich sags dir gleich. Ich muss das Werk in Augenschein nehmen.«
    Emmy kam mit einer Thermoskanne herein, aus der sie dem Bürgermeister Kaffee einschenkte. Nach einem kurzen Blick auf Krieglach setzte sie sich dazu.
    »Nichts wirst du. Es gibt keine Abnahme durch die Politik, auch wenn du bis jetzt mein Freund bist.«
    Purr schaute zu Emmy hinüber, sein Blick schien sie aufzufordern, ihn zu unterstützen. Emmy zuckte die Achseln. Der Bürgermeister stand auf, begann im Raum hin und her zu gehen, setzte sich wieder.
    »Solange ich Bürgermeister dieser Stadt bin, stellt niemand irgendwas in der Stadt im öffentlichen Raum auf, ohne dass ich oder meine Leute es gesehen haben.«
    »Und solange ich«, brüllte Krieglach los, »der Künstler Herbert Krieglach bin, scheiß ich drauf. Du nimmst das Werk ungschaut oder –« Er unterbrach sich, stand selbst auf, setzte sich wieder und sagte leiser:
    »Oder ungschaut. Du nimmst es, basta.«
    »Das kann und will ich nicht machen. Schau, das ist doch auch ein Politikum. Du weißt, wie schon die Debatte um den Standort losgebrochen ist. Die Schwarzen –«
    »Ich weiß, ich bin doch kein Trottel. Trotzdem.«
    Stille. Purr sah wieder zu Emmy. Die öffnete den Mund:
    »Dem Schorsch solltest du es schon zeigen.«
    »Halt die Goschen.«
    Krieglach beugte sich vor und schlug ihr seinen Handrücken auf die Lippen. Emmy wurde in die Sessellehne gedrückt. Purr stand auf. Bevor er etwas sagen konnte, hob Emmy die Hand.

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