Der Kalte
zu Guido Messerschmidt, der draußen auf und ab gegangen war.
»Darf ich?«, fragte er. Inge lächelte.
»Ich bin doch hier nicht die behandelnde Ärztin. Gehen Sie rein, aber fangen Sie nicht an, mit ihr zu reden.« Sie nickte ihm zu und ging.
Guido schlüpfte ins Zimmer und betrachtete im Stehen das Gesicht der Schlafenden. Wie schön sie ist, dachte er.
38.
Wiens Bürgermeister Purr saß in seinem Büro und schnarrte seine Kulturstadträtin an:
»Was soll das, Hedwig? Wieso hat dir der Krieglach das Grafflwerk nicht gezeigt? Das geht nicht. Wir werden doch
noch einen Blick darauf werfen dürfen, bevor wir es den Wiener Hyänen vor die Schnauzen stellen.«
»Ich kann ihn nicht zwingen, Schorsch«, sagte die Kulturstadträtin. »Herbert hält das sofort für Zensur und brüllt, dass mans bis zum Donaukanal hört.«
»Zu blöd.« Purr begann, wie es seine Art war, in seinem eigenen Büro hin und her zu gehen, setzte sich plötzlich hinter den Schreibtisch, schlug mit der Faust auf die Akten, die vor ihm lagen.
»Katzenbeißer soll mit ihm reden und mich ankündigen. Und zwar gleich.« Indes er zum Telefon griff, um Wendelin Katzenbeißer anzurufen, der unlängst ins Unterrichtsministerium gewechselt war, um dort auf Bundesebene im Hintergrund die Kulturfäden zu ziehen, verzog die Kulturstadträtin das Gesicht. Wendelin Katzenbeißer war Einbläser bei ihrem Vorgänger Trnka gewesen. Als sie das Kulturamt übernahm, musste sie den Katzenbeißer loswerden. Dies ging eben bloß, indem er ins Unterrichtsministerium weggelobt wurde. Das war zwar für ihn ein erheblicher Machtzuwachs, und gleichzeitig gelang es, einen roten Partisanen im schwarzen Ministerium zu installieren, aber für Hedwig Ebner war die Bahn frei, in ihrem Amt nun schalten und walten zu können, wie sie wollte. Leiden konnte sie den Katzenbeißer gar nicht, sie empfand ihn nach wie vor als Bedrohung. Schließlich hatte Purr ihn ins Ministerium gehievt mit Unterstützung des Bundeskanzlers und von Tschonkovits.
»Einen Moment, Schorsch«, sprach sie zu ihm, während er bereits die Nummer wählte. »Warte doch.« Purr unterbrach, sah das verärgerte Gesicht der Ebner und legte den Hörer wieder auf.
»Wenn der Herbert mir sein Werk nicht offenlegte, wird er es auf Zureden des Genossen Katzenbeißer auch dem
nicht enthüllen, und er verdirbt dir noch dein Entree bei ihm.«
Purr lachte sie an. »Was schlägst du vor?«
»Geh selber hin. Ecke Laufbergergasse und Böcklinstraße ist ein Telefonhüttl. Von dort rufst du ihn an, damit er keine Ausreden hat. Er verdankt dir doch was. Dir wird er das Kunstwerk schon zeigen.«
»Dankbarkeit gegenüber politischen Freunden gehört nicht zu seinen Lastern«, sagte Purr und stand auf. »Der Katzenbeißer ist aber so geschickt und kann gut mit dem Herbertl.«
»Da irrst du dich gewaltig.« Die Kulturstadträtin lief rot an vor Zorn. »Krieglach hält den Katzenbeißer für einen üblen Intriganten, und da hat er ja auch recht. Er wird ihn hochkant hinauswerfen.«
»Den Katzenbeißer hat noch keiner rausgeworfen«, murmelte Purr und nahm seine Wanderung wieder auf.
»Du brauchst wirklich den Wendelin, um mit deinem Freund Herbert klarzukommen? Ich glaubs nicht.« Zornig erhob sie sich und wandte sich zur Tür.
»Mir ists unangenehm, ihn zwingen zu müssen. Das hättest schon du zustande bringen können.« Ebner schwieg.
»Noch etwas?«, fragte sie nach einer Weile.
»Andrerseits lässt er sich von Frauen nichts sagen, das ist ja bekannt.«
»Eben«, machte sie und ging auf die Tür zu.
»Entschuldige, Hedwig«, sagte Purr. »Dann werd ich halt. Wo ist er denn jetzt?«
»Ich ruf dich gleich an und sag dirs.« Die Kulturstadträtin verließ das Büro des Bürgermeisters, machte die Tür von außen betont leise zu.
Eine Stunde später stand Purr in der Telefonzelle der Laufbergergasse, während der Chauffeur draußen neben dem
Dienstwagen stand und eine Zigarette rauchte. Purr öffnete das Türl.
»Haben Sie einen Schilling, Kurt?« Der Chauffeur schaute in sein Börsel und nickte.
Krieglach saß mit seiner Frau Emmy beim späten Frühstück. Er hatte schlechte Laune wie zumeist am Morgen. Er hing in seinem Frühstücksstuhl drin, als wäre er ein draufgeworfenes Kleidungsstück, gähnte ständig und wartete, dass Emmy ihm sein durchaus frugales Essen vorsetzte. Als Schinken, Eier und Käse auf dem Tisch standen und sie ihm den Tee eingoss, erhob er sich, holte sein Labgetränk, wie er es
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