Der Kammerjäger
Das verursacht das Jucken. Ihr Mundwerkzeug ist für Stechen und Saugen eingerichtet.» Bob imitierte das Mundwerkzeug mit den Fingern, während er es beschrieb. «Die haben diese drei Griffel, die in den Kopf eingezogen werden, wenn sie nicht benutzt werden. Eigentlich ein wunderschö-nes Design.»
Bob kratzte sich etwas tiefer, als sie sich der Spring Street näherten.
«Wahrscheinlich haben die auch Filzläuse, äh, Phthirus pubis.
Sie befestigen ihre Eier an Schamhaaren oder in den Achselhöhlen oder Augenbrauen.»
Klaus sah sich um und kratzte sich diskret zwischen den Beinen. Er hatte das Gefühl, daß ihnen jemand folgte. Er war sich nicht sicher, aber er spürte etwas.
Als sie um die Ecke in die Spring Street bogen - BAM! -, stolperte Klaus voll in Bob rein, der ohne Vorwarnung stehengeblieben war. Mitten im Gehen erstarrt. Mit aufgerissenem Mund.
Verzweifelt sah sich Klaus um, weil er dachte, jemand hätte sie entdeckt. Aber anstatt eines Killers sah er einen Chevy-Halbtonner Baujahr' 94 am Bordstein stehen. Er hatte eine riesige, grinsende Glasfaserwanze auf dem Dach.
Bob war von dem Anblick so tief beeindruckt, daß in seinem Schädel ein Chor thoraxlastiger Cherubim einen Halleluja-Refrain anstimmte, auf dessen Wogen sich Bob über den Bürgersteig spülen ließ, bis er seinen Heiligen Gral berührte.
Klaus beobachtete, wie Bob andächtig die Hände über das Glasfaserinsekt wandern ließ, das eine Zusammensetzung zu sein schien - ein vom Designer geschaffener Hybride aus dem Körper des Rattenflohs (Xenopsylla cheopis), dem Kopf einer Fruchtfliege (Ceratitis capitata) und den elegant nach hinten geschwungenen Fühlern der Amerikanischen Schabe.
Es war Klaus peinlich zuzusehen, wie Bob die Facettenaugen der Riesenwanze streichelte.
«Es ist ... wunderschön ... » Bob war hingerissen.
Klaus starrte Bob an. «Weißt du, ich glaube, du hast vielleicht eine Art, äh, wie soll ich das sagen ... Ein Problem.»
«Das ist es», sagte Bob ehrfürchtig. «Das ist das, worum es geht.» Bob streichelte den polierten Kotflügel und sah aus, als könnte er gleich auf die Knie sinken, um den Göttern der Schädlingsvernichtung ein Stoßgebet zu schicken.
Klaus war von Bobs Reaktion derart fasziniert, daß er für einen Augenblick den Ernst ihrer Situation vergaß. Er verharrte, den Kopf gebeugt, in demütigem Schweigen, während Bob dem Insekt seine Ehre erwies.
Die relative Stille von Bobs Gottesdienst wurde durch einen glänzenden stählernen Wurfstern zerrissen, der - SSSSING! - an Bobs Kopf vorbeisirrte und im Facettenauge der Fruchtfliege steckenblieb.
«Scheiße», sagte Bob, während Klaus den Stern als eine tödliche Waffe fernöstlichen Ursprungs identifizierte.
Die beiden rannten schnell auf die andere Seite des Kombis, eng nebeneinander geduckt.
«Wer zum Teufel hat das geworfen?» fragte Bob den Experten.
«Wahrscheinlich Ch'ing», sagte Klaus. «Obwohl er früher treffsicherer war.»
Klaus hielt nach einem Fluchtweg Ausschau, aber es schien nicht viele Optionen zu geben. Er .deutete zu einem nahe gelegenen Subway-Eingang. «Sollten wir die U-Bahn nehmen?»
«Bloß nicht», erwiderte Bob. «Da unten kann man sich den Tod holen.»
«Aber es muß irgendeinen Weg hier raus geben», sagte der Killer zu dem Schädlingsvernichter.
«Na gut, rennen wir zu der Gasse gleich hinter dem Subway-Eingang», schlug Bob vor.
Er wollte schon hinter dem Wagen losflitzen, aber Klaus packte ihn am Hemd und zog ihn zurück, wobei Bob sich den Kopf an der Seite des Wagens anschlug. «Auuu!»
«Tut mir leid», meinte Klaus. «Wenn wir loslaufen, dann renn nicht in einer geraden Linie, sonst bist du ein zu leichtes Ziel", «Gute Idee», rieb Bob sich den Kopf. «Ich glaube, ich könnte jetzt sowieso nicht gerade laufen.»
Auf Klaus' Kommando rasten sie hinter dem Wagen hervor wie olympische Sprinter von ihren Startblöcken. Bob, in einem komischen Zickzack rennend, bildete die Vorhut.
Ch'ing schleuderte einen weiteren Wurfstern, aber dieser segelte weit nach rechts und blieb im Wagen eines Straßenverkäufers stecken, der mit Kufta-Sandwiches und Fleischbällchen gefüllt war. Bob und Klaus waren schon beinahe an der Treppe zur Subway vorbei, als aus der Gasse vor ihnen ein Müllwagen herausgeschlingert kam und ihnen den Weg abschnitt, wodurch ihnen nur noch die Subway als einziger Fluchtweg blieb.
Sie stürmten die Treppe hinunter, drei Stufen auf einmal, dicht gefolgt von Ch'ing.
Sie rannten
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