Der Kammerjäger
Hause kommt?»
«Yo, ich laß doch keinen Fremden auf mein Eigentum», knurrte Pratt. «Außerdem schuldet er mir Geld, wie gesagt.»
Der Cowboy zwinkerte und griff nach seiner Brieftasche. «Ohhhh, schon kapiert ... Genau wieviel schuldet er Ihnen denn?»
«Ähhh, sechshundert Mäuse», sagte Pratt, der nicht schnell genug dachte, um eineTausend-Dollar-Lüge zu erzählen.
«Wie wär's, wenn ich Ihnen dreihundert gebe?» Der Cowboy zwinkerte wieder.
«Wer bin ich denn, ein Scheiß-Autohändler?!» Pratt überlegte einen Moment. «Machen Sie drei zwanzig, und Sie haben den Schlüssel.»
Der Cowboy gab Pratt das Geld.
«Er wohnt da drüben.» Pratt zeigte auf die andere Straßenseite. «Ich hol den Schlüssel, oh, und Moment mal ... da sind noch zwei Päckchen für diesen Scheißkopf, die können Sie gleich mitnehmen.»
Der Zigeuner-Taxifahrer, der sich zögernd bereit erklärt hatte, Bob und Klaus nach East New York zu fahren, war zwei Jahre zuvor aus seinem heimatlichen Kurdistan geflohen. Die erbärmlichen Lebensbedingungen, Dreck, Krankheit und Armut waren überwältigend. Heimatlos in einem schroffen Niemandsland herumzuirren, umzingelt von hinterhältigen Syrern und antagonistischen Armeniern, belastet die Seele eines Mannes und vernichtet ihn schließlich. Doch nach zwei Jahren in New York am Lenkrad eines Taxis hatte er begonnen, sich nach seiner Heimat zurückzusehnen.
Bob und Klaus schwiegen während der Fahrt, bis ersterer seine Neugier nicht mehr zügeln konnte. «Was dagegen, wenn ich dich was frage ?»
«Nur zu», sagte Klaus mit müder Stimme.
«Na ja, wie genau bist du zu ... » Bob senkte die Stimme. « ... deinem Beruf gekommen?»
Klaus hatte erwartet, daß Bob das früher oder später fragen würde. Einen Moment lang sah er aus dem Fenster.
«Das habe ich noch nie jemandem erzählt», sagte er tonlos. «Aber mein Vater war ein schrecklicher Mann. Er hat meine Mutter an meinem fünfzehnten Geburtstag zu Tode geprügelt. Am nächsten Tag hab ich ihn umgelegt.»
Klaus sah, wie aus Bobs entsetztem Gesicht alle Farbe wich. «Das war nur ein Scherz», meinte er mit einem schwachen Lächeln. «Ich war Waise. Ich habe meine Eltern nie gekannt.»
Bob war sauer, daß mit seinen Gefühlen gespielt worden war. «Aha», zischte er. «Dann bist du also ins Mordgeschäft eingestiegen, nachdem du als Alleinunterhalter gescheitert warst?»
«Es war doch nur ein Witz», beschwichtigte ihn Klaus. «Wie sagt man bei euch - nichts für ungut?»
< «Nein, willst du es wirklich wissen? Ich werde es dir sagen.
Schon als kleiner Junge wollte ich die Welt verbessern. Ich las in der Zeitung von den Greueltaten, die jeden Tag begangen wurden, und ich konnte nie begreifen, wieso so viele Menschen so sehr unter den Händen böser und korrupter Politiker leiden müssen.»
«So ging's mir auch als kleiner Junge», sagte Bob. «Ja, aber aus dir ist kein Killer geworden.»
«Na ja, kommt drauf an, wen du fragst», erwiderte Bob.
«Als ich älter wurde, verstärkte sich mein Idealismus. Ich wollte nur die Welt verbessern, aber ich wußte nicht wie. Ich verbrachte einige Zeit beim Militär und stellte fest, daß ich sehr gut mit Waffen umgehen konnte. Und da war mir klar, wie ich mich in meinem Leben nützlich machen konnte. Mein eigener Staat engagierte mich für meinen ersten Auftrag. Danach habe ich allein gearbeitet. Ich war geschickt im Töten, und ich glaubte, damit etwas zu bewirken. Weißt du, eine Menge Leute klagen über die Despoten der Welt, aber ich tue tatsächlich etwas dagegen.»
«Weißt du, Klaus», sagte Bob, «die meisten Leute spenden bloß für Amnesty International.»
Wolfe drehte die Dylan-Kassette um, drückte auf PLAY und wandte sich dann wieder der Dillon-Akte zu. Etwas störte ihn, aber er konnte es nicht festnageln.
Während er überlegte, ließ ihn ein Text aufhorchen: < Vielleicht war Bob Dillon genau das, was aus seiner Akte hervorging - jemand, der Insektenschädlinge unschädlich machte. Aber wenn das stimmte, wie war dann dieser Mord in Istanbul zu erklären, und die Attentate auf Madari und Pescadores, und Riviera, und die Zehn-Millionen-Dollar-Belohnung auf Bobs Kopf?
Geistesabwesend drückte Wolfe auf FFWD und hielt aufs Geratewohl bei einem anderen Song an. «He's not selling any alibis ... Der verkauft dir keine Alibis ... » sang der Troubadour in seiner
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