Der Kammerjäger
deklamierte er mit schauspielerischer Dramatik. «Und du!» knurrte er und packte einen Soldaten, der gerade vorbeikam, «benachrichtige die Presse! Sag ihnen, mein Bruder wurde von einem amerikanischen Killer umgebracht und daß ich eine Erklärung abzugeben habe!»
Die Sicherheitskräfte und die Hunde durchkämmten das Gelände und die umliegende Gegend bis zum Tagesanbruch, aber es wurde nie ein Killer gefunden, nur der Enterhaken und das Seil.
Schließlich blies Miguel die Suche ab und ließ die gesamte Mannschaft auf dem großen Steinhof in der Mitte des Palasts antreten. Die Männer waren erleichtert zu hören, daß Miguel nicht sauer war über die Flucht des Killers, aber es machte das häßliche Gerücht die Runde, irgend jemand würde dafür bezahlen müssen, daß der Killer überhaupt in den Palast hatte eindringen können. Und als sie anfingen darüber nachzudenken, wurden sie ziemlich unruhig und rechneten sich mit sorgenvollen Mienen aus, daß für einen trauernden Anverwandten mit einer automatischen Waffe ein großer Steinhof in der Mitte des Palasts eigentlich der ideale Ort wäre, um jemanden zu finden, den man büßen lassen könnte.
Aber Miguel tat wenig mehr, als ein paar Männer herumzuschubsen und sie Angsthasen, Kümmerwürste und lahme Luschen zu nennen, bevor er davonrauschte, um den Laden zu übernehmen.
Zuerst stürmte er in Ronaldos Büro, und im Verlauf der nächsten Tage ließ er ein paar Dinge hereinbringen, die seinem eigenen, verfeinerten Geschmack entsprachen. Inmitten der Möbelschlacht erschien ein Soldat.
«Sind die Reporter da?» fragte Miguel. Der Soldat nickte.
«Führ sie rein.»
Drei Dutzend Reporter wurden in das Büro geleitet. Miguel, geblendet von den pausenlos explodierenden Xenon-Blitzlichtern der Fotoapparate und dem brutalen blauen Licht, das sich aus den Scheinwerfern der Filmteams ergoß, hielt sich schützend die Hand vor die Augen, während die Reporter ihn mit Fragen zum Tod seines Bruders belagerten und wer das Geschäft weiterführen würde. Er hob eine Hand, um sich Gehör zu verschaffen.
«Bitte, ich möchte eine Erklärung verlesen. Ich werde nicht auf Ihre Fragen eingehen.» Er zog ein Blatt Papier hervor und las davon ab: < Miguelließ sich einen Augenblick Zeit, um den Eindruck zu erwecken, als müsse er sich sammeln. Er wollte gleichzeitig stark und verletzt wirken - Machismo im Angesicht von Trauer. «Auf seinem Totenbett hat Ronaldo mir drei Dinge gesagt. Erstens hat er gesagt, ich soll sämtliche Riviera-Geschäfte übernehmen. Zweitens hat er gesagt, ich soll seinen Tod rächen. Drittens und zuletzt hat er gesagt .»
Während die Presseleute sich neugierige Blicke zuwarfen und «Rosebud» murmelten, drückte Miguel auf einen Knopf an seinem Tisch. Die Bürotür schwang auf, und die Schreiber hielten unisono den Atem an, als sie den Mann namens Ramon sahen.
Seine Gesichtszüge waren entstellt und wirkten äußerst bedrohlich. Die Vernarbung auf der rechten Gesichtshälfte war das Ergebnis einer Begegnung mit einer Lötlampe, zu der ihm prosandinistische Kräfte während seiner Zeit als optimistischer Student der Politikwissenschaft in seiner Heimat Nicaragua verholfen hatten. Ramon hatte gehofft, sich später einmal um ein politisches Amt zu bewerben, sein Volk zu vereinen, seinem Land Frieden und Wohlstand zu bringen. Leider geriet eine seiner Seminararbeiten, eine schlecht geschriebene Studie über Augusto Sandino, in die falschen Hände und wurde völlig fehlinterpretiert.
In einem grausamen, wenn auch einfachen Spiel des Schicksals wurde drei Monate nach dem Zwischenfall mit der Lötlampe Ramons linke Gesichtshälfte mit Salzsäure behandelt; diesmal waren es von den USA unterstützte Contra-Rebellen, die seine Seminararbeit über Sandino ebenfalls gelesen und ähnlich drastisch mißverstanden hatten.
Verbittert über die Auswüchse des politischen Diskurses in seiner Heimat, packte Ramon ,- jetzt ein zorniger, übelgesinnter Mann - seine Koffer, zog nach Bolivien und trat in Rivieras Privatarmee ein, wo er Fachmann in der Verwendung von hochexplosivem Material wurde, einem nicht ungeeigneten Mittel, gewählte Staatsbeamte und Mitglieder der Justiz zu
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