Der Kampf beginnt
innerhalb weniger Tage ebenfalls einen scharfen Verstand und Instinkt bewiesen. Seine Schlachtfeldanalysen trafen regelmäßig den Punkt. »Ich wüsste gerne, warum Sie das meinen, Sir Powers.«
»Ich auch«, stimmte Tassa zögernd zu und schien beinahe gegen ihren Willen zurück zum Tisch und zu Powers gezogen zu werden.
Der Fahrende Ritter hatte sein Highballglas mit an den Tisch gebracht. Er nippte an etwas, das nach hellem Eiskaffee aussah. Raul konnte nur Vermutungen anstellen, worum es sich wirklich handelte. Powers stellte das Glas zurück auf den Tisch und strich sich mit einem Finger übers Kinn. »Ich weiß weniger über die Vorgänge innerhalb der Stahlwölfe, als mir lieb ist. Kal Radick ist weit geschichtsbewusster als ich und scheint wirklich entschlossen, seine Fraktion zurück zu den echten Traditionen und Zielen des Wolfsclans zu führen. Aber ich erinnere mich an einen Teil der Geschichte unserer clanstämmigen Bevölkerung, und seit dem Kollaps habe ich meine Kenntnisse in dieser Hinsicht gezwungenermaßen vertieft.«
Powers trug seine Erklärungen langsam vor, als müsse er jede Einzelheit tief aus dem Gedächtnis hervorkramen. »Bei den Clans wird ein Krieger hauptsächlich an den eigenen Leistungen gemessen, er kann allerdings auch eine schwere Bürde der Schande oder gewaltige Erwartungen aus früheren Generationen tragen. Sterncolonel Torrent ist mehr als nur ein aufstrebender Stern bei den Stahlwölfen - das, was die Clanner einen Kometen nennen. Er stammt aus einer Blutlinie, die bei sämtlichen Clans höchste Verehrung genießt. General Aleksandr Kerensky führte 2784 siebzig ... achtzig Prozent des Sternenbundheeres ins Exil. Er war der Große Vater seines Sohnes Nicholas, und der ist der Gründer der Clans. Nicholas organisierte sie zu einer Kriegergesellschaft, wie sie die Menschheit noch nicht gekannt hatte. Ein späterer Nachfahre, Ulric Kerensky, leitete an einem Punkt alle Clans als ihr ilKhan, ihr oberster Heeresfürst. Doch seine Bemühungen zu Gunsten der Inneren Sphäre führten zur Spaltung des Wolfsclans, auch wenn Katya Kerensky viele der Ausgestoßenen versöhnte, als sie sich Devlin Stones Reformation anschloss. Und die größte Ausgestoßene von allen war natürlich Natascha Kerensky. Man nannte sie die Schwarze Witwe. Sie war eine der größten MechKriegerinnen und Söldneroffizierinnen, die die Innere Sphäre je gesehen hat. Sie kehrte schließlich zu den Clans zurück und wurde sogar für eine Weile zur saKhanin Clan Wolfs gewählt. Für ein Kriegervolk, das die Ansicht vertritt, mit dreißig Jahren befinde man sich bereits auf dem absteigenden Ast, ist ihre sechzig Jahre währende Laufbahn der Stoff, aus dem Legenden sind.«
»Was Sie sagen wollen ist, dass man an Torrent einen ganz besonderen Maßstab anlegt«, fasste Diago auf seine wie üblich knappe Art zusammen. »Über die normale Notwendigkeit hinaus, sich zu beweisen.«
Powers zuckte die Achseln. »Ich will sagen, Sie sollten versuchen sich vorzustellen, Sie wären ein Nachkomme von Anastasius Focht oder Victor Steiner-Davion. Der Sohn von Dschingis Khan, Erwin Rommel, Michael Cameron oder Takashi Kurita. Wenn man so nahe am Gipfel startet, ist, falls man versagt, der Sturz besonders tief.«
Major Chautec schüttelte den Kopf. »Also sitzen wir hier herum und lassen ihm Zeit, in seine Rolle als Generaldiktator der Inneren Sphäre hineinzuwachsen? Oder Kal Radick zu diesem Titel zu verhelfen? Vielleicht sollten wir ihn hier und jetzt mit allem angreifen, was wir haben, und eine Entscheidung erzwingen. Er oder wir. Worauf warten wir noch?«
»Vielleicht warten wir auf Devlin Stones Rückkehr«, murmelte Raul leise. Aber nicht leise genug. Die Hälfte der Köpfe am Tisch schwang zu ihm herum. Bis er es ausgesprochen hatte, war ihm selbst nicht klar gewesen, wie fest er an Stones Rückkehr glaubte. »Was? War das nicht das Versprechen?«, fragte er den Ritter. »Dass
er zurückkehren wird, wenn wir ihn brauchen?«
»Jiii-aaa«, bestätigte Powers zögernd. »Aber muss er uns wirklich vor unserer eigenen Schwäche retten? Wollen wir, dass er das tut?« Der Fahrende Ritter schaute über Rauls Kopf hinweg in die Runde. »Müssen wir nach Papa rufen, weil wir Angst im Dunkeln haben? Ich glaube, Devlin Stone wäre wirklich enttäuscht von uns.«
Einen derartigen Einwand hatte Raul bisher nicht in seine Überlegungen einbezogen - und er musste zugeben, dass er überzeugend war. Aber wie viel von dieser
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