Der Kampf beginnt
Überzeugungskraft lag in den Worten, und wie viel in dem Mann, der sie sprach? Spielte das überhaupt eine Rolle? Powers verstand sich aufs Befehlen, und er wusste ebenso, Bündnisse zu schmieden wie Freundschaften. Raul konnte sich vorstellen, diesem Mann zu vertrauen.
Andere waren weniger leicht zu beeindrucken. Major Chautec knallte den Bierkrug auf den Tisch und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. »Also lehnen wir uns zurück und warten, bis Torrent unsere Knochen abnagt und hoffentlich an einem Splitter erstickt. Großartig. Ich finde immer noch, wenn er unter unseren Truppen wildert, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, den Gefallen zu erwidern.«
»Das brauchen wir nicht«, antwortete Tassa. »Jedenfalls nicht auf dieselbe Art und Weise. Laut Sterncommander Yulri sind Torrents Krieger gerne bereit, auf unsere Seite zu wechseln.«
Rauls neuer Drink blieb unberührt auf dem Tisch stehen. Yulri war der Pilot des abgeschossenen Schwarzfalke, den Tassa als ihren Gefangenen beansprucht hatte. Raul erinnerte sich an Powers' erste Begegnung mit dem Mann, als Yulri der Kriegerin, die ihn im Kampf besiegt hatte, sozusagen die Vasallentreue geschworen hatte.
Powers hatte dabei recht verunsichert gewirkt, doch jetzt zeigte er keinerlei Bedauern dafür, die Bitte des Mannes augenblicklich abgelehnt zu haben. »Es stimmt. Der Erwerb von Leibeigenen scheint eine weitere Tradition zu sein, die Kal Radick wiederbelebt hat.« Powers nahm sein Glas, trank aber nicht, sondern hielt es nur mit beiden Händen fest. »Diese Gefangenen erwarten, sich früher oder später die Wiederanerkennung als Krieger zu verdienen. Und es ist kein Ehrverlust damit verbunden. Yulri scheint zu glauben, dass er Ihnen gehört«, zwinkerte er Tassa zu. »Aber mir behagt dieses Vorgehen nicht.« Er zögerte nur eine Sekunde. Dann sprach er mit kräftiger Stimme weiter. »Um ehrlich zu sein, behagt es mir eigentlich nicht, Ihnen den Mann zu übergeben.«
Tassa reagierte auf seine offene Feststellung mit einem ehrlichen Schulterzucken. »Warum nicht? Ich kommandiere bereits zwei Con- dor-Besatzungen, die mir auf eigenen Wunsch regelmäßig zugeteilt werden. Haben Sie Angst, ich baue mir eine Privatarmee auf und erobere Achernar mit einer Lanze Soldaten?«
»Nein. Aber derartige ...«, er verstummte, suchte nach den passenden Worten. »Derartige Rekruten könnten einen beträchtlichen Schaden anrichten, sollten sie sich im falschen Moment doch noch gegen uns kehren.«
Tassa blieb unbeeindruckt. »Ich halte sie bei der Stange.«
»Wirklich? Sind Sie bereit, Ihren Ryoken als Pfand für ihre Loyalität einzusetzen?« Der Fahrende Ritter beugte sich schnell vor und starrte die MechKriegerin an. Seine grauen Augen waren scharf wie Schiefersplitter und bohrten sich in Tassas überraschtes Gesicht. In einem Augenaufschlag vom Kameraden zum Kommandeur, stellte Raul bei sich fest.
»Ich bin bereit, mich selbst als Pfand einzusetzen«, erwiderte Tassa schließlich und fing die Veränderung in der Unterhaltung ab. »Der Ryoken geht, wohin ich gehe.«
»Sie erwarten von mir, dass ich eine Menge Vertrauen in Ihr Ehrenwort setze, Tassa Kay. Gibt es jemanden, der mir Ihre Loyalität garantieren kann?«
Raul rechnete es Tassa hoch an, dass sie keine Sekunde zu ihm blickte. Nicht ein kurzes Zucken der Augen, nicht einmal eine leichte Verschiebung in der Schulter. Doch er spürte die Frage zwischen ihnen stehen. Raul wusste, dass sie auf seine Entscheidung wartete.
Nur auf seine. »Ich«, erklärte er, bevor er es sich anders überlegen oder sich die instinktive Reaktion ausreden konnte.
Powers zog eine Augenbraue hoch. »Kennen Sie Tassa Kay gut genug, so etwas zu tun, Captain Ortega?« Der Ton seiner Stimme - ein zu erwartender Unterton - ließ in Raul den Gedanken aufsteigen, dass auch der Ritter darauf gewartet hatte, dass der junge Mech-Krieger sich meldete.
»Ich kenne sie überhaupt nicht, Sir Powers, aber sie ist so ziemlich der verdammt beste Partner, den ich mir auf dem Schlachtfeld wünschen könnte. Und wenn ich ihr im Feld meine Rückendeckung anvertrauen kann, dann kann ich sie auch hier decken.« Er zuckte die Schultern und spürte Powers' Entscheidung wie einen Fels auf sich lasten. »Außerdem, wie sie es auch selbst gesagt hat: Was soll sie mit einer Lanze schon ausrichten?«
Kyle Powers schien weniger an Tassa Kay als an Raul interessiert, als könnte er mit einem einzigen Blick die Tiefe seiner Überzeugung und Gefühle
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