Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
wendig sein konnten – Erinyen waren schneller.
War das hier das Ende ihrer Reise? Enna glaubte einen hochgewachsenen Schatten im Nebel zu erkennen.
Ich wollte doch die Drachen finden und mein Tal retten, dachte sie unglücklich.
»Alvendorah, ich ersuche Euch eindringlich, nun nach Hause zurückzukehren.«
Verborgen vom Dunst des aufsteigenden Morgennebels stand Alvendorah hinter dem Stamm einer
mächtigen Moorbirke.
»Ich möchte wissen, was das Halblingsmädchen vorhat.«
Gwendalon trat vor sie, und sie blickte in das Gesicht ihres Beschützers.
»Sie haben sich getrennt, aus welchen Gründen auch immer. Außer ein paar betagte Mitglieder ihres Volkes befreit zu haben, konnten sie nichts zustande bringen, was sie oder Westendtal retten könnte.«
»Aber ihre Befreiungsaktion war beeindruckend.« Alvendorah lachte leise. »Wenn ich nur daran denke, wie diese bleichen Erinyen gegen die Bienen gekämpft haben! Sicher sind sie durch jedes Loch dieser zerfetzten Kleidung gekrochen. Ich möchte nicht wissen, wie lange sie gebraucht haben, um die Stacheln aus ihrer Haut zu ziehen. Diese Befreiung zeugte durchaus von Mut.«
Gwendalon neigte den Kopf. »Mut und Dummheit trinken aus derselben Schale«, sagte er. »Ich vermute, dass ihnen das Glück zur Seite stand. Wahrscheinlicher wäre es gewesen, dass alle sich zu den übrigen Gefangenen gesellen.«
»Trotz allem gehörten großer Mut und List dazu. Ich möchte sie weiterhin beobachten.«
»Alvendorah!« Der hochgewachsene Elf trat vor sie und fasste sie an den Schultern. So etwas hatte sich der Beschützer ihres Hauses noch nie erlaubt. Auch wenn Alvendorah seine Berührung als angenehm empfand, so wich sie doch zurück und – wie sie erst einen Lidschlag später bemerkte – aus dem Schutz des Baumes heraus.
»Wir haben die Gespräche der Halblinge belauscht«, fuhr er fort. »Die Erinyen bereiten eine Invasion in unser Reich vor! Und eine kleine Gruppe von Halblingen wird weder die Fackelträgerinnen noch die Ghule aufhalten können!«
Atemlos vor Angst starrte Enna in Richtung des Sumpfes. Da – wieder diese flüchtige Bewegung. War es nur der Wind, der einen Baum im Nebel zum Wanken brachte? Was sollte sie nur tun? Sie wandte sich nach allen Seiten um, da sah sie einen steilen Abhang. Noch einmal blickte sie zurück – kein Angreifer war zu erkennen. Dann sprintete sie los, warf sich bäuchlings auf ein annähernd halblingsgroßes Stück Rinde und raste damit den Berg hinab, auf ein Brombeergebüsch zu.
»Jetzt hat sie uns gesehen und Angst bekommen«, beschwerte sich Alvendorah.
Der Behüter schien sich seines unangemessenen Handelns bewusst zu werden. Er räusperte sich und trat einen Schritt zurück. Dennoch blieb seine Miene finster.
»Verzeiht mir, ich habe unbedacht gehandelt«, entschuldigte er sich. »Aber ich glaube nicht, dass dieses kleine Volk unseren Feinden etwas entgegenzusetzen hat. Ein Halblingsmädchen, das nun blindlings in die Suravan-Berge rennt, eine Gruppe von Halbhohen, die ihren Grünen Gefilden schon näher ist als dem Hier und Jetzt – was können sie schon erreichen? Sie sind klein und feist, und selbst wenn sie Mut haben, der zweimal so groß ist wie ihr Wuchs, so sind unter ihnen doch keine Meister der Kampfkunst.«
»Weder Größe noch Kampfkunst haben die Menschen und unser Volk aus den Südlanden gerettet«, sagte Alvendorah mit leiser, bedrückter Stimme. Sie blickte in die Richtung, in die Enna verschwunden war. »Ich kann dir keine schlüssige Erklärung liefern, Gwendalon, aber mein Herz sagt mir, dass es Mut und Einfallsreichtum sind, so wie sie diese kleine Halblingsfrau besitzt, die vielleicht gegen den Wahnsinn und Hass der Erinyen bestehen können.«
Gwendalon hob ihr Kinn mit einem Finger an, strich für einen flüchtigen Moment sachte mit dem Daumen über ihre Wange und sah ihr in die Augen. Alvendorah versteifte sich, aber sie ließ es geschehen. Dann schüttelte Gwendalon den Kopf. »So sehr mich Eure Worte berühren, so sehr ich daran glauben möchte – ich vermag es nicht. Lasst uns zurückkehren, eine Armee aufstellen und unsere Südküste verteidigen. Sollten einige des kleinen Volkes es schaffen, über das Meer zu fliehen, können wir sie bei uns aufnehmen.«
»Und der Rest soll sterben?« Abrupt wandte Alvendorah sich ab. »Du bist ebenso gefühllos wie mein Vater.«
»Selbst wenn es gefühllos erscheinen mag – das Überleben unseres Volkes sicherzustellen, ist unser oberstes Ziel. Die
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