Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Strahl über den Horizont schickt«, sagte sie laut. »Denn dies wird mein Zeichen sein!« Sie wandte sich Moydana zu. »Geleite unseren Verbündeten zurück zu seinem Heer.«
Zervana bemerkte, dass die Glut von Moydanas Fackel in diesem Augenblick heftiger zu pulsieren begann. Yorak und Moydana waren sich durchaus ähnlich. Sie teilten den Hass auf die Ghule miteinander – und beide brachten immer wieder Zervanas Blut in Wallung.
»Wenige Worte für ein so großes Vorhaben«, stellte Hanafehl fest, und seine wie aus hellblauem Eis geschliffenen Augen fixierten Zervana.
Die Erinya hielt dem Blick allerdings mühelos stand. »Wenn Ihr eine Rede halten möchtet, so tut dies vor Eurem Volk. Wir Erinyen lieben die Tat«, erklärte sie trocken.
Hanafehl neigte den Kopf. »So, wie es mir gefällt.« Wieder entblößte er seine Zähne.
Zervana jedoch nickte nur Moydana zu und bedeutete ihr zu gehen. Die Erinya mit dem Haar wie aus gesponnener Nacht verbeugte sich, und zusammen mit Hanafehl verließ sie den Turm.
»Ein Bündnis mit Ghulen für die Vernichtung der Nordlande?« Yorak sah Hanafehl und Moydana hinterher. »Muss dies wirklich der Weg der Erinyen sein?«
»Worauf bezieht sich deine Frage?« Zervana stellte sich vor den Erinya und sah zu ihm auf. »Ist es das Bündnis, das dir widerstrebt, oder gar die Vernichtung der Nordlande?«
Yorak runzelte die Stirn, und einen Augenblick zögerte er. »Ihr wisst, ich verachte die Ghule«, antwortete er.
»Das tue ich auch. Dennoch ordne ich meinen Hass und mein Verlangen, die Ghule brennen zu sehen, einem höheren Ziel unter.« Unverwandt blickte Zervana Yorak in die Augen, während ihre Hand sich um seinen Nacken legte und ihn zu sich herabzog. »Du begehrst dieses Ziel doch ebenso wie mich, Yorak, oder?«, hauchte sie ihm ins Ohr. Gleichzeitig glitt ihre andere Hand über die Innenseite seines Oberschenkels.
Yorak nickte, sein Atem wurde tiefer.
»Gut!« Wie beiläufig strich sie noch über seine Männlichkeit, dann legte sie ihm ihre Hand auf die Brust und schob ihn – wenn auch widerstrebend – von sich. »Geh jetzt und treffe die letzten Vorbereitungen«, wies sie ihn an. »Morgen werden wir sehen, ob Hanafehl seine Armee auch im Griff hat.« Zervana schmunzelte. »Immerhin muss er zehntausend Ghulen befehlen, beim ersten verhassten Sonnenstrahl loszumarschieren.«
Yorak verneigte sich wortlos, machte kehrt und verschmolz mit der Nacht. Zervana holte tief Luft, und sie ahnte, dass noch ein langer Weg auf sie wartete, ehe sie die unangefochtene Herrscherin über die Nord-und Südlande sein würde.
Nur kurz leuchteten die beiden Fackeln im Dunkeln auf. Etwas raschelte im Gras, kam näher. Urplötzlich fiel ein Schatten auf Enna, und sie kroch rückwärts, so schnell es ihr möglich war. Die Gestalten, gehüllt in schwarze Umhänge und hoch gewachsen, kamen näher und schlugen zu. Peitschen knallten, und die mit Widerhaken versehrten Geißeln gruben sich schmerzhaft in Ennas Fleisch. Sie schrie auf und – schrak hoch. Wieder einmal hatte sie nur geträumt. Rasch hielt sie sich eine Hand vor den Mund und sah sich um. Sie war allein – keine Erinyen.
»Nur ein Traum«, flüsterte sie zu sich selbst, »es war nur ein verdammter Traum, und er fühlte sich nicht einmal so echt an wie der mit dem roten Drachen. Also bleib ruhig!«
Noch war es Nacht, nur ein heller Streifen im Osten kündigte den neuen Tag an. Dennoch brach Enna auf und setzte ihren Marsch fort. Unbeirrt wanderte sie weiter, aß, wo immer es ging, Beeren oder Nüsse und manchmal sogar essbare Gräser, doch für einen ausgehungerten Halblingsmagen war dies beileibe nicht genug.
Hatte sie das dürftige Essen tagsüber auch noch so missmutig gestimmt, so freute sich Enna nun umso mehr, als sie am Abend endlich die ersten Ausläufer der Suravan-Berge erreichte. Sie blieb stehen und musterte die Berge. Rechts von ihr ragte der Aratol auf, der die umliegenden Gipfel klein erscheinen ließ, zumal die Spitze des Riesenberges in den Wolken verborgen lag.
Etwas links von ihr entdeckte sie einen schmalen Einschnitt, ein bewaldetes Gebiet, das weniger steil anstieg und auf einen Pass hoffen ließ. Bronn hatte von einem solchen Pass gesprochen. Vielleicht war dies jene Stelle, die er damals für seine Wanderung auserkoren hatte.
Das Licht des Tages bot Enna noch immer genügend Sicht, deshalb hielt sie auf den Einschnitt zu, und als sie kurz darauf unter die Bäume schlüpfte, hatte sie das Gefühl, eine
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