Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Elvor.
»Mein Enkel wird euch nach Westendtal führen und für die Verteidigung unserer Heimat sorgen«, erklärte Bronn weiterhin. »Und wenn ihr dort seid, bedenkt eins: Westendtal ist die größte Festung der ganzen Südlande!«
Elvor runzelte die Stirn, und auch die anderen wirkten ein wenig verwirrt. Doch Bronn fuhr bereits fort.
»Eingeschlossen von den Schroffen Bergen ist es von allen Seite geschützt. Sofern man nicht mit Schiffen an der Gräsernen Furt anlegt, gelangt man nur durch die Vergessenen Täler hinein. Dort müsst ihr Barrikaden errichten! Also, lasst dieses grässliche Weibsvolk und die stinkenden, bleichen Ghule nicht unsere grünen Täler und Auen beschmutzen. Haltet sie auf!«
Die letzten drei Worte setzten sich in Elvors Kopf fest, und ihm wurde klar, dass er immer daran denken würde.
Die anderen schwiegen, doch dann trat Talegrin Westwind nach vorne. »Das werden wir, Bronn, das werden wir.« Er drückte Bronns Hand mit beiden Händen. »Viel Glück«, sagte er leise, und man konnte sehen, dass ihm das Sprechen schwerfiel.
Elvor indes ging zu Jorim. »Bring sie zurück! Mit oder ohne Drachen.«
Jorim schluckte, nickte aber. »Das werde ich.«
So verabschiedeten sich die Gefährten voneinander. Es war ein stiller Abschied, geprägt von stummem Nicken und Umarmungen. Am Ende zogen Elvor, Jul und Bronns Recken weiter nach Norden, während Jorim und Bronn sich auf den Weg nach Südosten begaben; dorthin, wo sich die Suravan-Berge hoch in den Himmel erstreckten.
19. AUF EINSAMEN PFADEN
So rasch ihre Füße sie trugen, eilte Enna auf die westlichen Ausläufer der Suravan-Berge zu. Jede Senke, jede Hecke versuchte sie als Deckung zu nutzen, während sie sich ganz auf ein schnelles Vorankommen konzentrierte. Denn wenn sie zögerte, würde sie nur an ihrem Entschluss zweifeln. Und genau das durfte nicht geschehen. Enna wollte das Schicksal von Westendtal nicht einer Handvoll gealterter Halblinge überlassen. Dies war ihr zu wenig. Sollten sich Bronn, Elvor und die anderen ruhig um die Verteidigung von Westendtal kümmern. Sie jedenfalls würde in die Suravan-Berge ziehen, um nach den Drachen zu suchen. Zudem glaubte Enna, der Drache, der ihr im Traum erschienen war, hatte sie zu dieser Entscheidung bewegen wollen. Es war ein waghalsiger, vielleicht gar leichtsinniger Entschluss, ganz allein zu den Drachenbergen aufzubrechen, aber aufgeben und umkehren käme für sie erst recht nicht infrage. Das war nicht die Art einer Borkenfeuer. Sie hätte zwar gerne Jorim bei sich gehabt, aber ihn zu überzeugen, wäre nicht einfach gewesen. Er hätte versucht, sie umzustimmen, und falls er sich gegen die Trennung von der Gruppe entschieden hätte, wäre es noch sehr viel schwieriger gewesen, rasch und unentdeckt zu verschwinden. Nein, sie musste die Drachen allein finden, koste es, was es wolle. Die Suravan-Berge schienen auch gar nicht mehr so weit entfernt zu sein. Wenn sie sich beeilte, könnte sie deren Ausläufer vielleicht in ein bis zwei Tagen erreichen. Doch selbst hier hatten die Berge eine bedrohliche Ausstrahlung auf Enna. Schon der Wald, der unmittelbar vor ihr lag, erschien ihr sehr viel düsterer als die lichten, freundlichen Haine Westendtals, und die gezackten, schroffen Bergspitzen wirkten auf Enna wie ein aufgerissenes Raubtiermaul, bereit, sie zu verschlingen. Doch sie schüttelte diese Gedanken ab, straffte die Schultern und schritt voran. Ihre Füße berührten weiches Gras, das nach und nach immer feuchter wurde. Möglicherweise lag das an dem kleinen Bachlauf zu ihrer Linken. Die Morgensonne ließ den Boden dampfen. Leichte Dunstschwaden hingen zwischen Bäumen und Schilf, und Enna beschloss, weiter nach rechts auszuweichen, denn sie wollte nicht riskieren, in dem morastigen Untergrund stecken zu bleiben. Gerade hatte sie sich abgewandt, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Hastig drehte sie sich um. Nichts. Sie spürte ein Kribbeln im Nacken, und auch wenn jetzt alles ruhig war, war sie sich sicher, beobachtet zu werden. Schritt für Schritt tastete Enna sich zurück, wobei sie das Gehölz am Rande des kleinen Gewässers nicht aus den Augen ließ.
Bitte keine Erinya oder ein Ghul!, dachte sie, umklammerte ihr Bündel und suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie kaum Aussicht auf Rettung hatte, sollte sie angegriffen werden. Von ihrem kleinen Dolch abgesehen, trug sie keine Waffen, und selbst wenn Halblinge ausgesprochen
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