Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
sich langsam in Bewegung.
Es dauerte nicht lange und sie betraten die große Höhle, hielten sich ganz am Rand in den Schatten hinter den Säulen und Statuen. Doch Jorim konnte seine Neugier nicht bezwingen und lugte hinüber zu der Zeremonie – und als er sah, was dort vor sich ging, konnte er den Blick nicht mehr abwenden.
Jene Erinyen, die im Begriff waren, den Feuerbund zu schließen, standen hintereinander vor der steinernen Brücke. Ihre nackte Haut wirkte im Dämmerlicht der Halle gespenstisch weiß. Eine von ihnen kehrte gerade über die Brücke zurück, eine grell lodernde Fackel in ihrer Hand. Schon machte sich die Nächste von ihnen auf den Weg zu der kleinen Insel, wo eine Erinya in einem blutroten Gewand auf sie wartete.
Jorim bekam eine Gänsehaut, als er sah, wie die hochgewachsene, hagere Fackelanwärterin nackten Fußes den schwarzen Fels betrat, wo doch rot glühende Gesteinsmasse pulsierenden Adern gleich über ihn hinwegströmte.
»Bist du bereit, den Bund des Blutes einzugehen?«, sprach die Rotgewandete, und ihre Stimme hallte von den Wänden wider.
»Mit Geist und Blut ertrag ich des Feuers schmerzende Glut«, entgegnete die entkleidete Erinya, deren schwarzes Haar ihr bis zu den Hüften reichte.
»Und hast du das Kratertal auch bezwungen?«
Die Anwärterin hielt ein längliches Stück Stein in die Höhe. »Mit Geist und Blut hab ich bezwungen die dunkle Brut.«
»Und erträgst du auch die Hitze der züngelnden Flammen der Erde?«
»Mit Geist und Blut, selbst wenn das Feuer auf meinem Antlitz ruht.«
»Und willst du flammenden Fels dein Eigen nennen, bis ans Ende deiner Tage?«
»Mein Leben lang mit Stolz und Mut, bis mein Geist und Blute ruht.«
Die Zeremonienmeisterin nickte der Anwärterin zufrieden zu, und in ihren dunklen Augen spiegelten sich die tänzelnden Flammen der Erinyen-Fackeln.
»So knie ich nieder auf heißem Stein, ertrage still die Qual und Pein«, rief die Entkleidete und sank nieder. Es zischte laut, als ihre Knie flüssiges Gestein berührten. Doch keine Regung war in ihrem Gesicht zu sehen, das so ausdruckslos und hart war wie der Stahl, den Ludor Nimmersatt schmiedete. Dann streckte sie die Hand, in der sie das Stück Stein hielt, nach vorn, direkt über den vulkanähnlichen Kegel, aus dem das Erdenblut floss. In diesem Augenblick holte die Rotgewandete mit ihrer Geißel aus und schlug sie sowohl um den ausgestreckten Arm der Erinya als auch um das längliche Stück Kraterfels in ihrer Hand, wodurch sie den Arm nach unten, unmittelbar in die sengende Glut riss.
Die Anwärterin warf ihren Kopf in den Nacken, und ein gellender Schrei entfuhr ihrer Kehle. Ihr nackter Körper wand sich vor Qualen, während der Schein der Erinyen-Fackeln geisterhaft über ihre bleiche Haut tanzte.
Mit einer raschen Bewegung aus dem Handgelenk löste die Zeremonienmeisterin ihre Peitsche. »Bezwinge deinen Schmerz, so bezwingst du auch die Flammen – auf dass der Bund zwischen Feuer und Geist besiegelt werde.«
Die Fackelanwärterin keuchte auf und presste ihre Lippen aufeinander. Ihre Kiefermuskulatur spannte sich an, ihre Nasenflügel weiteten sich. Wie es aussah, rang sie den Schmerz nieder. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und nun starrte sie beinahe mit Verachtung auf ihren Arm, der in Flammen stand.
»So erhebe dich! Großes steht uns bevor unter Zervana von Myrador, Usurpatorin der Südlande. Gehe hin und brenne für sie!«
Die nackte Erinya erhob sich, die Flammen auf ihrem Arm erstarben zu einem Glühen. Lediglich der Stein, den sie noch in der Hand hielt, brannte. Seine Flammen wurden vom Lebensodem der Erinya genährt: Er war somit zu ihrer ureigenen Erinyen-Fackel geworden. Erhobenen Hauptes stolzierte sie über die Brücke zurück, an deren Ende die nächste Anwärterin wartete.
Jorims Mund war staubtrocken geworden. Wie konnte sich jemand ein solch grausiges Ritual ausdenken? Und, schlimmer noch, wer mochte sich einem solchen freiwillig unterziehen?
Auch die anderen Halblinge waren stehen geblieben und hatten das Geschehen aus dem Halbdunkel und im Schutze einer Erinyen-Statue beobachtet.
Jorim wandte sich um und sah Elgo, wie er auf den Boden spuckte und dann ein undeutliches »Weiter« ausstieß. Die Wagen setzten sich wieder in Bewegung, während die rituellen Worte erneut durch die Höhle hallten. Sie befanden sich kurz vor dem Stollen, da wagte Jorim einen letzten Blick zurück auf die kleine Insel – und ihm gefror das Blut in den Adern. Gerade
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