Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
sagte keiner ein Wort. Jorim konnte kaum glauben, was er da hörte. Wie es aussah, hatten sie am Ende doch einige von Bronns Halblingen gefunden.
»Und Bronn ist ebenso tot, sonst hätte er uns längst befreit«, brach Talegrin als Erster das Schweigen. Er sprach leise, seine dunklen Augen blickten traurig ins Leere. »Es geschah damals in den Suravan-Bergen. Es waren die Gulvaren. Bronn ist abgestürzt und ertrunken.«
»Was sind Gulvaren?«, wollte Jorim wissen.
Ambrin hob den Kopf; er wirkte verwundert. Ein trauriges Lächeln umspielte seine schmalen Lippen, und er strich sich durch die Haare, was grauen Staub herabrieseln ließ. »Wie wenig ihr doch wisst. Die Gulvaren sind die schwarzen Kreaturen des Himmels.«
»Ihr meint die Drachen«, entgegnete Jorim, doch Ambrin schüttelte den Kopf.
»Nein, sie sind die Gegenspieler der Drachen. Zweiköpfige Himmelsvögel, finstere Kreaturen der Nacht. Sie halten einander in Schach, sonst würde die Welt aus den Fugen geraten. Oder was glaubt ihr, weshalb man kaum Drachen über den Ländern kreisen sieht?«
»Stimmt«, rief der Halbling namens Rimen Dornenschlag. »Die Welt hinter den Suravan-Bergen ist anders, sie folgt ihren eigenen Gesetzen.«
Jorim musterte Rimen und überlegte kurz, ob die lange Narbe, die seine rechte Wange verunstaltete, zu seinem Namen geführt hatte. Dann seufzte er. Vermutlich hatte Ambrin recht und er war tatsächlich nicht sonderlich bewandert, was die Welt außerhalb von Westendtal anging – doch dies traf wohl auf die meisten Halblinge zu.
»Was hat diese Erinya eigentlich damit gemeint, als sie sagte, wir sollten die Zeremonie nicht stören«, wollte Nespur wissen.
»Die Feuerzeremonie«, erklärte Fundil. »Ihr habt die feurige Glut gesehen, in der großen Halle?«
Nespur und Jorim nickten einstimmig und Fundil fuhr fort. »Dort verbinden sich junge Erinyen mit ihrer Fackel. Jede Erinya muss sich beweisen, indem sie aus dem Kratertal, einem geheimen Ort in Myrador, den Fackelstein holt. An einem zeremoniellen Ort wie dieser Halle hier schließen sie dann einen Bund mit den Feuern, und angeblich ist ihr Wesen, ihr ganzes Sein danach mit den Flammen verschmolzen. Zwar soll es mehrere heilige Stätten geben, an denen sie diese Zeremonien durchführen, doch die große Halle in der Hohen Wand von Myrador haben sie erst neu erschlossen. Wahrscheinlich schließen sie den Feuerbund, wie sie es nennen, nur noch hier.«
»Vielleicht sollten wir diesen Bund ein wenig stören«, überlegte Jorim laut mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht, »und genau dann die Flucht wagen.«
»Ist er wahnsinnig?« Ambrin sah Nespur entgeistert an.
»Hin und wieder scheint es so«, entgegnete Nespur trocken.
»Dort draußen gehen vielleicht zwanzig oder mehr Erinyen den Feuerbund ein!«, rief Ambrin aufgebracht. »Und du willst einfach an ihnen vorbeispazieren? Acht Halblinge, fünf davon alt und abgemagert, ein Einäugiger, ein Jüngling und«, er deutete auf Elgo, »ein Säufer?«
»Unsere Chancen könnten nicht besser sein«, entgegnete Elgo, der sich so weit zurückgezogen hatte, dass er mit dem Rücken gegen die Wand stieß.
»In der Tat, sie könnten nicht besser sein«, sagte Jorim entschlossen. »Die Fackelträgerinnen werden abgelenkt sein. Vielleicht der beste Zeitpunkt überhaupt, um diesem erdrückenden Stollen zu entkommen. Für den Fall, dass sie uns dennoch bemerken, habe ich eine kleine Armee mitgebracht.«
»Eine Armee?« Fundil trat neugierig in den Feuerschein von Jorims Fackel, und die Flammen ließen seine Augen erwartungsvoll glitzern.
Jorim schmunzelte, reichte Nespur die Fackel und griff unter seinen Umhang. Kurz darauf legte er zwei längliche, mit Decken verschnürte Bündel auf den Boden.
»Was ist das?«, wollte Talegrin wissen. Er und die anderen drängten nach vorne und starrten auf den Boden. Fundil hatte sich bereits auf die Knie niedergelassen und näherte ein Ohr den beiden Bündeln. Er rüttelte kurz daran und fing an zu lächeln. »Bienen?«
»Terrorbienen«, korrigierte Jorim ihn.
»Und du willst sie auf die Erinyen schleudern?«
»Das ist der Plan.«
»Und drei von uns warten draußen und decken unsere Flucht, indem sie weitere Bienen auf die Erinyen werfen«, ergänzte Nespur.
»Ihr müsst vorher die Decken entfernen«, merkte Talegrin an.
Jorim nickte. »Wir haben uns mit Arnkraut eingerieben.«
»Daher der Gestank«, erwiderte Fundil.
»Wir sind aber nicht damit eingerieben«, sagte Rimen
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