Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Augenblick, offenbar glaubte er, sein tödliches Werk verrichtet zu haben, oder er fand uns Winzlinge nicht weiter beachtenswert. Ich hatte mich jedoch an einem Felsvorsprung festkrallen können und hörte Fundil herbeistürzen, der mir ein Seil zuwarf. Ich bekam es zu fassen – doch dann glitt ich ein Stück ab. Ich rutschte tiefer, und Fundil wurde näher an den Abhang gezogen. Ich wusste, ich würde ihn mit ins Verderben reißen.« Bronn schwieg.
»Was geschah dann?«, wollte Enna wissen, die Augen schreckgeweitet.
Statt Bronn, antwortete Ambrin. »Bronn hat das Seil losgelassen und ist in die Tiefe gestürzt. So hat es uns zumindest Fundil erzählt.« Ambrin sah zu Bronn, der nickte.
»Ja, so war es. Fundil muss gedacht haben, ich sei tot. Doch irgendwie habe ich den Sturz überlebt. Dort unten war ein Fluss, und als ich wieder bei Bewusstsein war, befand ich mich am Ufer. Es war derselbe Fluss, der auch durch jenes Dorf fließt, in dem ihr mich gefunden habt.« Er deutete kurz auf Jorim, Enna und Elvor. »Ich trug so einige Blessuren und Knochenbrüche davon, doch ich hatte Glück. Reisende fanden mich und brachten mich in das kleine Dorf. Die Menschen dort pflegten mich gesund. Später erfuhr ich von ihnen, dass eine Gruppe Halblinge von Menschen gefangen und in Richtung der Silbermine verschleppt worden war. Die Häscher der Minenbetreiber waren ständig auf der Suche nach neuen Sklaven. Da kamen ihnen Leute vom kleinen Volk für die Arbeit in den Stollen natürlich gelegen.« Bronn fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich wusste sofort, dass es sich hierbei um meine Kameraden handeln musste. Wie oft habe ich an der Mine auf der Lauer gelegen und den Stollen beobachtet. Zwei meiner Befreiungsversuche scheiterten, und ich kam jedes Mal nur mit viel Glück mit dem Leben davon – wenn ich auch einige Verletzungen davontrug. Als schließlich die Erinyen kamen und die Mine übernahmen, wurde die Lage noch aussichtsloser. Ich, der legendäre Bronn Sternenfaust, war einfach nicht imstande, meine Freunde zu befreien – und die Schmach, nach Hause zurückzukehren und Hilfe zu holen, konnte ich nicht auf mich nehmen.«
»Aber weshalb denn nicht?« Enna betrachtete den alten Halbling irritiert. »Das wäre doch die naheliegendste Lösung und alles andere als eine Schmach gewesen!«
»Ich war stolz, Enna, stolz und arrogant. Ich glaubte, ich müsste es alleine schaffen. Und die Erkenntnis meines Scheiterns trieb mich schließlich einem neuen Freund in die Arme: einem Freund, der sich als höchst tückisch erwies.«
»Borkenschnaps«, hörten sie Elvor vom Ufer des Bachs her rufen. Offenbar hatte er Bronns Geschichte genau mitbekommen.
»So ist es«, gestand Bronn, dann sah er die Halblinge nacheinander an. »Euch, meine treuen alten Freunde, Ambrin, Talegrin, Rimen und Pim, bitte ich um Verzeihung dafür, dass ich euch so kläglich im Stich gelassen habe.«
Die Angesprochenen tauschten Blicke und wirkten sehr nachdenklich. Jorim konnte nicht sagen, was in ihren Köpfen vorging. Wütend sahen sie zumindest nicht aus.
Nun blickte Bronn zu Jorim, Enna und Jul und etwas verlegen zu Elvor, seinem Enkel. »Bei euch vieren und auch bei Nespur muss ich mich bedanken. Durch euch habe ich während der letzten Tage erfahren, dass Freundschaft und Zusammenhalt mehr wert sind als Heldentum. Sollte es etwas Derartiges überhaupt geben, so ist es nur durch die Hilfe treuer Freunde möglich.«
Damit schwieg Bronn, senkte den Kopf und schien wie ein Angeklagter auf seine Verurteilung zu warten.
»Nun«, Ambrin räusperte sich, »so waren wir wohl alle Gefangene auf die eine oder andere Weise.«
»Also haben wir unser Schicksal ein weiteres Mal geteilt«, stellte Rimen fest und kratzte sich abermals die Narbe auf seiner Wange.
»Somit gibt es nichts zu verzeihen«, rief Talegrin und nickte Bronn entschlossen zu.
»Große Worte«, sinnierte Pim und klopfte auf seinen trotz der Gefangenschaft noch immer beachtlichen Bauch. »So lasst uns die Sache vergessen.« Er legte Bronn eine Hand auf die Schulter, und seine Augen blitzten spitzbübisch. »Und wenn es dir so wichtig ist, Bronn, so erzählen wir allen, du hättest uns im Alleingang gerettet.«
Bronn musste lachen, doch dann wurde er schnell wieder ernst und schüttelte den Kopf. »Wie ich eben schon sagte: Heldentaten sind nur mit Freunden möglich. Ich würde meine eigenen Worte Lügen strafen, nähme ich dein Angebot an, Pim. Elgo war Lüge genug. Der neue
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