Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
ehrfürchtig und wie aus einem Munde. »Bronn Sternenfaust!«
16. EINE LEBENDE LEGENDE
Die Zeit verstrich – doch die Stille blieb. Nur der Wind sang sein Lied, unablässig und anscheinend völlig unbekümmert angesichts der Geschehnisse in der Welt. Fast schon mitleidlos fegte er durch die Baumkronen, so wirkte es zumindest auf Jorim. Auch er starrte, verblüfft wie alle anderen, auf Elgo, den Säufer – der Bronn Sternenfaust war. Eine Legende aus Jugendtagen, besungen in allen Tavernen Westendtals.
Sie alle waren ausgezogen, um ihn zu finden, und nun hatten sie ihn gefunden – wenn auch nicht dort, wo sie ihn vermutet hatten, und nicht unter den Umständen, die sie sich erhofft hatten.
»Du kannst nicht Bronn Sternenfaust sein!«, unterbrach Elvor endlich die Stille und riss damit alle aus ihren Gedanken. »Ein Held sieht anders aus. Du bist bloß Elgo, der Säufer!«
Ambrin runzelte die Stirn und deutete auf Bronn, der mit heruntergesackten Schultern auf dem Findling saß. »Oh nein, das ist Bronn. Habt ihr nicht seinen Wurf gesehen, mit dem er die Erinya getroffen hat?«
Doch Elvor schüttelte weiterhin vehement den Kopf. »Nein, das habe ich nicht!«
»Aber, wie kannst du das sagen?«, fragte Enna und blickte ihn verwundert an. »Das war gleich, nachdem wir auf den Wagen gesprungen sind. Ich habe es doch auch gesehen.«
Elvor hob die Hand und deutete auf Bronn, winkte dann aber ab und stapfte ohne ein weiteres Wort zum Ufer des Bachs, wo er sich niederließ.
»Bronn, wo warst du in all der Zeit?«, wollte Talegrin wissen. »Wir dachten, du seist tot.«
»Ja, wo warst du?«, fragte nun auch Ambrin mit finsterer Miene.
Auch Pim trat näher und starrte mit offenem Mund auf Bronn, während Rimen sich seine Wange kratzte. Bronn rutschte unruhig auf seinem Findling hin und her.
Er seufzte tief, drehte einen Ast in der Hand, warf ihn dann aber weg. »Es geschah, als Fundil und ich in den Suravan-Bergen nach einem Weg suchten, um die letzten Gipfel zu überqueren«, begann er.
»Ich erinnere mich«, entgegnete Talegrin. »Du sagtest, wir sollten warten und rasten, während du und Fundil euch ein wenig umsehen wolltet.«
Bronn nickte, dann fuhr er fort. »Wir hatten einen Pass gefunden, der uns, wie wir hofften, endgültig in das Land hinter den Bergen führen würde. Doch wir kehrten nicht gleich um, sondern erklommen den Pass, um in jenes sonderbare Reich zu blicken, das von den Suravan-Bergen umschlossen wird. So stiegen wir also hinauf, höher und höher. Die Wolken wirkten fast greifbar, als wir endlich den höchsten Punkt erreichten. Dann kam er …« Bronn schauderte sichtlich, rieb sich mit der Hand über den Unterarm und blickte in die Ferne. »Wir dachten zuerst, es sei eine dunkle Wolke, eine Gewitterwolke, die über uns aufzog. Dann bemerkten wir, wie eigenartig sie aussah. Weißer Nebel wallte um sie herum, rot gerändert vom Licht der untergehenden Sonne. In der Mitte jedoch war sie dunkel, beinahe schwarz wie die Nacht. Dann ertönte ein Brüllen, laut und donnernd wie ich es noch nie zuvor gehört hatte, und zwei Köpfe schossen aus den Wolken hervor. Felsgestein löste sich und polterte talwärts – doch nicht einmal die Gerölllawine konnte das Brüllen des Gulvars übertönen.«
Die Halblinge hielten den Atem an. Ein Gulvar – Bronn war also tatsächlich einem Gulvar begegnet! Jorim konnte sich nicht mal vorstellen, was er in einer solchen Situation tun würde – Auge in Auge mit einem so finsteren Wesen. Bronn sprach weiter, seine Stimme klang heiser.
»Wie eine riesige fliegende Schlange mit zwei länglichen Köpfen sieht ein Gulvar aus, und er hat gleich drei mit roten Dornen besetzte Schwänze. Auch seine Flügel sind rot, als seien sie in Blut getaucht worden, und auf den beiden Köpfen thronen mächtige rote Hörner. Der Körper selbst ist schwarz wie der eines Raben.« Noch immer starrte Bronn in die Nacht. Niemand wagte etwas zu sagen, alle warteten gespannt, wie es weitergehen würde.
»Der Gulvar kam mit mächtigem Flügelschlag näher, und einer der Köpfe schnellte direkt auf Fundil zu. Ich stieß ihn gerade noch rechtzeitig zur Seite, während die Kreatur über uns hinwegschoss. Ich versuchte, uns in Sicherheit zu bringen, fort vom Gipfel, doch da zertrümmerte eines der gewaltigen Schwanzenden des Gulvars den Fels neben mir. Ich wurde von den fliegenden Gesteinsbrocken erfasst und davongeschleudert, direkt über einen Abgrund hinweg. Der Gulvar verschwand in diesem
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