Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
oder den Erinyen?«, fragte Talegrin lachend.
»Bei beiden«, entgegnete Jorim schmunzelnd, doch dann seufzte er tief und wurde wieder ernst. »Lasst uns gehen. Wir sind zwar frei, aber es war kein guter Tag.«
Alle wussten, was er meinte, und so verdüsterte sich die Stimmung rasch. Schweigend begannen die Halblinge über die Bäume zu klettern, um sich einen Platz für die hereinbrechende Nacht zu suchen.
Endlich hatten sie ein Nachtlager gefunden. Nachdem sie einige Bäume hinter sich gelassen hatten, waren sie auf einen Bach gestoßen. Darin wateten sie ein Stück weit, um auch weiterhin Spuren zu vermeiden. Als sie das Gefühl hatten, endlich weit genug gelaufen zu sein, ließen sie sich am Ufer des Bachs auf einer kleinen Lichtung nieder. Dort saßen sie nun, aßen im letzten Licht des Tages schweigend von den Beeren, die sie unterwegs gesammelt hatten, und den restlichen Proviant, vornehmlich Brot und etwas harten Käse. Nicht wenige Mägen knurrten immer noch nach diesem kargen Mahl, und so hatte Jul sein Angelzeug ausgepackt, in der Hoffnung, den einen oder anderen Fisch als Nachspeise auftischen zu können.
Es war Talegrin, der schließlich das Schweigen brach. »Eines meiner Augen ist froh, das Licht der Freiheit erblickt zu haben«, sagte er leise, während er sich an einen umgekippten Baumstamm lehnte und auf den Bachlauf starrte. »Das andere Auge weint jedoch um Fundil und Nespur.«
»Ja, sie waren wahre Helden«, entgegnete Rimen leise und warf einen kurzen Blick zu Elgo hinüber, der etwas abseits auf einem kleinen Findling saß.
Jorim betrachtete indessen Enna, deren Miene immer trauriger wurde.
»Wahre Helden«, wiederholte sie, und Tränen rannen über ihr Gesicht. Dann sah sie hinauf zum Himmel, über den nun dunkle Wolken zogen. Ein heftiger Wind rauschte in den Bäumen, und nur wenige Sterne funkelten hier und da. »Auch wenn Nespur jetzt unter Stein und Fels begraben liegt, so hoffe ich doch, dass er den Weg in die Grünen Gefilde finden wird.«
»Das wird er«, sagte Elvor, der neben Enna saß, leise. »Das wird er ganz bestimmt.« Zu Jorims Überraschung lehnte sie sich kurz an den Halbling mit den dichten schwarzen Haaren, ließ es sogar zu, dass er tröstend einen Arm um sie legte. Dann jedoch räusperte sie sich und richtete sich wieder auf.
»Und Fundil wird diesen Weg ebenso finden.« Alle blickten zu Elgo hinüber, der ebenfalls den Kopf in den Nacken gelegt hatte und hinauf in den Nachthimmel schaute. »Stets war er voller Mut und Tatendrang. Nie hat er aufgegeben oder die Hoffnung verloren.«
Jorim wurde nachdenklich angesichts dieser Worte, denn so gut hatte Elgo Fundil doch gar nicht gekannt.
»Wären Nespur oder Fundil an meiner Stelle gewesen«, fuhr Elgo fort, »so wäre euch euer Schicksal in der Mine erspart geblieben, denn sie hätten euch dort schon längst herausgeholt.« Er griff sich einen Stein und schleuderte ihn wütend in ein Farngebüsch. Dann vergrub er die Hände in seinen Haaren.
»Wie meinst du das?«, hakte Enna ein. »Weder Nespur noch Fundil hätten die Gefangenen alleine befreien können.«
»Sicher hätten sie mehr ausrichten können als ein Trunkenbold«, beharrte Elgo.
»Dein Wurf mit dem Pickel war heldenhaft«, versuchte Jorim den ergrauten Halbling aufzumuntern.
»Allerdings«, stimmte Ambrin zu. »Ich kannte nur einen, der in der Lage gewesen wäre, in betrunkenem Zustand von einem dahinrasenden Wagen aus einen Pickel pfeilgerade auf eine Erinya zu schleudern.« Ambrin erhob sich und ging zum Wasser.
»In der Tat«, pflichtete Talegrin ihm bei. »Nur Bronn wäre zu so etwas fähig gewesen.«
Pim und Rimen nickten. Ambrin entledigte sich derweil seines Umhangs, tauchte einen Ärmel ins Wasser und ging dann zu Elgo. Dieser hob abwehrend eine Hand, als sich Ambrin mit dem nassen Ärmel näherte. Ambrin, zwar abgemagert, aber immer noch von kräftiger Statur, drückte Elgos Arm zur Seite und begann, ihm das Gesicht abzuwischen. Schließlich gab Elgo nach und ließ es geschehen. Es war dunkel geworden, deshalb traten die Halblinge nun näher. Sie bildeten einen Halbkreis um Elgo und Ambrin, um dessen seltsames Verhalten zu betrachten. Je mehr von Elgos gealtertem Antlitz zum Vorschein kam, desto erstaunter blickten die bis vor Kurzem noch gefangenen Halblinge. Ihre Unterkiefer klappten herunter, sie rissen die Augen weit auf und traten schweigend zurück. Nur der Wind brauste durch die hohen Wipfel der Bäume.
»Bronn«, riefen sie
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