Der Kampf der Insekten
unbekannt.«
»Die Boten müssen gefunden werden. Sie müssen bis zu einem günstigeren Moment im Versteck bleiben. Dieser Befehl muß sofort verbreitet werden.«
Das Gehirn lauschte in sich hinein, während Spezialisten ausflogen, um zu tun, was es verlangt hatte.
»Wir müssen eine differenziertere Auswahl von Menschen fangen«, fuhr das Gehirn fort. »Wir müssen einen Anführer unter ihnen finden. Schickt Beobachter und Boten und Aktionseinheiten aus. Meldet so bald wie möglich.«
Das Gehirn nahm wahr, wie seine Befehle ausgeführt und weitergeleitet wurden, und es dachte darüber nach, wie die Botschaften über die Entfernungen hinausgetragen wurden. Unbestimmte Frustrationen regten sich in ihm, Bedürfnisse, die unklar blieben und für die es keine Antworten hatte. Es formte Augen und richtete sie auf die Höhlenöffnung.
Volles Tageslicht.
Nun konnte es nur warten.
Warten war der schwierigste Teil der Existenz.
Das Gehirn begann diesen Gedanken zu untersuchen, bildete Folgesätze und mögliche Alternativen zum Prozeß des Wartens, stellte sich Projektionen physiologischen Wachstums vor, die das Warten überflüssig machen könnten.
Die Gedanken führten zu einer Art intellektuellen Verdauungsstörung, die die Arbeiterschwärme und Nahrungsbringer alarmierte. Sie umsummten und überliefen das Gehirn, schirmten es ab, gaben ihm Nahrung, bildeten kriegerische Phalanxen in der Höhlenmündung.
Diese Aktion erregte im Gehirn Besorgnis.
Es wußte, was seine Kohorten in Bewegung gesetzt hatte. Die Bewachung des kostbaren Kerns eines Schwarms war ein tief verwurzelter Überlebensinstinkt. Primitive Schwarmeinheiten konnten dieses Verhaltensmuster nicht verändern. Aber sie mußten es ablegen, das war klar. Sie mußten die Beweglichkeit der Bedürfnisse lernen, die Beweglichkeit des Urteils. Sie mußten lernen, jede Situation als eine einmalige Erscheinung zu sehen.
Ich muß lehren und lernen, dachte das Gehirn.
Es wünschte, daß Meldungen von den winzigen Beobachtern kämen, die es nach Osten geschickt hatte. Das Bedürfnis nach Informationen aus diesem Gebiet war enorm, denn die Brocken und Fetzen, die von den Horchposten eingefangen wurden, mußten miteinander in Zusammenhang gebracht werden.
Allmählich ließ die Aktivität der Schwärme nach, als das Gehirn sich auf sich selbst zurückzog.
Einstweilen warten wir, sagte es sich.
Und es stellte sich das Problem einer geringfügigen Genveränderung in einer flügellosen Wespenart, um das System der Sauerstofferzeugung zu verbessern.
Senhor Gabriel Martinho, Präfekt des nördlichen Mato Grosso, schritt erregt murmelnd in seinem Arbeitszimmer auf und nieder. Gelegentlich hielt er für einen Moment inne, um aus dem schmalen, hohen Fenster zu blicken, das die letzten Strahlen der Abendsonne einließ. Sein Sohn Joao saß schweigend auf einem mit Tapirleder bezogenen Sofa unter den Bücherregalen, die zwei Wände des Raums einnahmen.
Der ältere Martinho war ein magerer kleiner Mann mit weißem Haar und tiefliegenden dunklen Augen über einer Adlernase. Sein Mund war schmallippig und scharf, sein Kinn lang und spitz zulaufend. Er trug einen altmodischen schwarzen Anzug, wie er seiner Position angemessen war. Sein gestärktes Hemd schimmerte blendendweiß neben dem Schwarz. Goldene Manschettenknöpfe glitzerten, als er mit südländischem Temperament gestikulierte.
»Ich bin ein Gegenstand des Gespötts!« rief er.
Joao nahm die Feststellung schweigend hin. Nachdem er eine volle Woche den Ausbrüchen seines Vaters gelauscht hatte, hatte Joao den Wert des Schweigens kennengelernt. Er blickte auf seine weiße Bandeirantenuniform, deren Hose in langschäftigen Dschungelstiefeln steckte – alles gewaschen und gebügelt und sauber, während seine Männer in der Serra dos Parecis schwitzten.
Im Raum begann es dunkel zu werden. Gewitterwolken, die sich den Horizont entlang auftürmten, beschleunigten den raschen Übergang zur Tropennacht. Es wetterleuchtete, und etwas später grollte ein ferner Donner.
Der Präfekt ging zur Tür, schaltete das Licht ein und blieb vor seinem Sohn stehen.
»Warum verbreitet mein eigener Sohn, der bekannte und für seine Erfolge ausgezeichnete Bandeirante, auf einmal Ansichten, die aus dem Buch der Carson stammen könnten?«
Joao blickte zwischen seine Füße. Das seltsame Erlebnis auf der Plaza Titao Passos in Bahia, die Flucht vor der aufgebrachten Volksmenge, eben eine Woche zurück, schien eine Ewigkeit entfernt,
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