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Der Kampf des Geisterjaegers

Titel: Der Kampf des Geisterjaegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Delaney
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wie sich seine kratzenden und scharrenden Klauen tief ins Holz gruben. Dann stellte ich fest, dass das Geräusch von oben kam, nicht von unten.
    Ich sah auf, gerade rechtzeitig, um eine dunkle Gestalt zu erkennen, die wie eine Spinne über die Decke krabbelte und genau über meinem Bett anhielt. Unfähig, mehr als meinen Kopf zu bewegen, holte ich tief Luft und versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen. Angst machte die Dunkelheit nur stärker. Ich musste meine Furcht unter Kontrolle bekommen.
    Ich konnte die Umrisse der vier Gliedmaßen und den Körper erkennen, aber der Kopf schien mir viel näher zu sein. Ich konnte schon immer gut in der Dunkelheit sehen, und meine Augen gewöhnten sich immer mehr daran, bis ich mir schließlich einen Eindruck von dem machen konnte, was mich da von oben bedrohte.
    Tibb war mit dem Rücken zu mir über die Holzpaneele der Decke gekrabbelt, aber sein Kopf hing an seinem langen, starken Hals nach hinten herunter, sodass seine Augen tiefer waren als sein Mund. Diese Augen glänzten leicht in der Dunkelheit und starrten geradewegs in meine. Der Mund war weit geöffnet und zeigte die scharfen, nadelspitzen Zähne.
    Plötzlich tropfte etwas auf meine Stirn. Etwas, das klebrig und warm war. Es schien der Kreatur aus dem offenen Mund gelaufen zu sein. Zwei weitere Tropfen fielen herab - einer auf das Kissen neben meinem Kopf, der nächste auf mein Hemd. Dann sprach Tibb mit heiserer, rauer Stimme in der Dunkelheit:
    »Ganz deutlich sehe ich deine Zukunft. Dein Leben wird traurig sein. Dein Meister ist tot und du wirst allein sein . Es wäre besser, wenn du nie geboren worden wärest.«
    Ich antwortete nicht, aber ich wurde ruhiger und meine Furcht wich schnell.
    »Ich sehe ein Mädchen, das bald eine Frau wird«, fuhr Tibb fort. »Das Mädchen, mit dem du dein Leben teilen wirst. Sie wird dich lieben, sie wird dich verraten und schließlich für dich sterben. Und es wird alles umsonst sein. Am Ende alles umsonst. Deine Mutter war grausam. Welche Mutter setzt ein Kind mit so einer hoffnungslosen Zukunft in die Welt? Welche Mutter verlangt, was unmöglich ist ? Sie singt ein Ziegenlied und macht dich zum Mittelpunkt. Denke an meine Worte, wenn du dem Tod ins Auge siehst ...!«
    »Sprich nicht so von meiner Mutter!«, verlangte ich zornig. »Du weißt gar nichts von ihr!« Aber seine Bemerkung über das Ziegenlied verwirrte mich. Was war das?
    Tibbs Antwort war ein kurzes Lachen und ein weiterer Tropfen fiel aus seinem Mund und beschmutzte mein Hemd.
    »Ich weiß nichts ? Da irrst du dich aber sehr. Ich weiß mehr als du. Viel, viel mehr als du. Mehr, als du jemals wissen wirst ...«
    »Dann weißt du sicher auch, was in den Kisten ist«, sagte ich leise.
    Tibb knurrte verärgert auf.
    »Das kannst du nicht sehen, oder?«, höhnte ich. »Du kannst eben nicht alles sehen ...«
    »Bald gibst du uns die Schlüssel Dann werden wir es sehen. Dann wissen wir es .«
    »Ich sage es dir jetzt«, sagte ich, »dann braucht ihr die Schlüssel nicht.«
    »Sag es mir! Sag es mir!«, verlangte Tibb.
    Plötzlich hatte ich keine Angst mehr vor ihm. Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich sagen wollte, aber als ich sprach, kamen die Worte hervor, als ob sie jemand anderes spräche.
    »In den Kisten ist dein Tod«, sagte ich ruhig. »In den Kisten liegt das Verderben aller Hexenzirkel von Pendle.«
    Tibb brüllte verärgert und verwirrt auf, und einen Augenblick lang glaubte ich, er würde sich auf mich stürzen.
    Doch stattdessen hörte ich, wie sich Klauen in die hölzerne Decke gruben, und sah, wie sich der dunkle Schatten über mir zur Tür bewegte. Ein paar Augenblicke später war ich allein.
    Ich wollte aufstehen und nach nebenan gehen, um Pater Stocks zu helfen, doch mir fehlte die Kraft dazu. Viele Stunden bemühte ich mich in der Dunkelheit, doch ich war zu schwach und erschöpft, um vom Bett zu klettern, und lag hilflos im Bann von Wurmaldes Macht.
    Erst als das erste Licht des Morgens das Fenster erhellte, löste sich der Bann von meinen Gliedern. Ich konnte mich aufsetzen und blickte auf das Kissen. Dort war ein Blutfleck, zwei weitere auf meinem Hemd. Das Blut war Tibb aus dem offenen Mund getropft. Er musste etwas gefressen haben ...
    Ich dachte an das Stöhnen, die Schreie und Gebete aus dem Nebenzimmer und rannte auf den Gang. Die Tür zum Zimmer des Priesters war offen. Ich stieß sie auf und ging vorsichtig hinein. Die schweren Vorhänge waren geschlossen, die Kerze war schon lange

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