Der Kampf um die Sieben Inseln
wir die Forts erhalten haben, ohne die halbe Stadt in Trümmer legen zu müssen.«
Aber nicht alle Rebellen waren auf die Polaccas gegangen. Etwa dreißig wollten nicht nach Frankreich gebracht werden, sondern in Neapel bleiben. Als sie am Abend die Forts verließen, sammelte sich im Nu eine Menschenmenge um sie, und vom Achterdeck der Thunderer hörten sie fürchterliche Schreie in den Straßen der Stadt. Gegröle und Jubel lösten die Schreie ab.
Leutnant Campbell, der im Fort Nuovo einen Kameraden besucht hatte, kam schreckensbleich auf die Thunderer zurück und berichtete David: »Sir, der Pöbel hat sie förmlich zerrissen und ihre Leichen mit den Zähnen zerfetzt. Ich sah, wie sie zu viert einem Mann den Arm ausrissen und mit dem blutenden Körperteil auf andere einschlugen. Sir, unter den Mördern und unter den Opfern waren auch Frauen. Was sind das nur für Menschen?«
»Waren denn keine Truppen da, die die Kapitulanten beschützten?«
»Nein, Sir. Als sich die Menge auf sie stürzte, wollten einige unserer Soldaten zu Hilfe eilen, aber Kapitän Troubridge hat es verboten.«
Als David Admiral Kelly davon berichten wollte, wußte der es bereits. »Und wir können nicht auf Besserung hoffen, David. Ich weiß, daß Nelson nur auf Nachricht aus Palermo wartet, um gegen die Rebellen und auch gegen Kardinal Ruffo mit aller Härte vorzugehen. Die Königin ist voller Rachsucht. Sie hat ihren sechsjährigen Sohn verloren, als sie auf der Flucht aus Neapel in einen schweren Sturm gerieten. Wenn je Milde gegen die Mörder ihrer in Paris guillotinierten Schwester Marie Antoinette in ihr war, so ist sie erloschen. Und der König tut in politischen Fragen, was sie rät. Und was sie sagt, betet Lady Hamilton nach. Da unser Admiral dieser hörig ist, kannst du dir denken, was uns erwartet.«
David blickte Kelly bedrückt an. »Mein Gott, Hugh, wir alle wissen, wie in der Regierung und auch in der Flotte intrigiert wird. Aber das ist hier der Gipfel. Der Held der Flotte empfängt seine Befehle im Bett einer alternden Kurtisane. Das kann doch nicht wahr sein.«
»Nun sei nicht ungerecht, David. Emma Hamilton ist immer noch sehr attraktiv und sicher sehr erfahren und gut im Bett.«
»Aber Hugh, Weiber von der Sorte gibt es doch überall dutzendweise. Jünger und verführerischer, wenn du willst. Muß er sich ausgerechnet eine suchen, die ihn zum Werkzeug der Politik dieses völlig verdorbenen Hofes macht?«
»Jetzt hör auf damit, David! Es führt zu nichts. Denken wir an die Tänzerinnen in Kalkutta, an denen wir uns erfreuten. Oder sprechen wir lieber von unseren Frauen, denn auch ich habe vor einem Jahr geheiratet. Noch nicht zu spät, denn meine Frau erwartet ein Kind.«
Damit lenkte er David nachhaltig von den niederdrückenden Problemen der Gegenwart ab, und sie unterhielten sich angeregt über ihre gemeinsame Vergangenheit und über ihre Familien.
David war am nächsten Morgen noch ein wenig verkatert, als die Wache ihn an Deck rief. »Sir, die Polaccas mit den Kapitulanten werden von Booten der Flotte näher an Lord Nelsons Schiffe geschleppt. Seesoldaten holen einzelne Menschen von den Polaccas herunter.«
David ließ sich ein Teleskop reichen und beobachtete die Szene. Die beim Flaggschiff liegenden Linienschiffe hatten die Kanonen ausgerannt und bedrohten die Polaccas. Auf den Polaccas zerrten Seesoldaten mit Gewalt Männer und Frauen aus der Menge heraus, die ihnen von Zivilisten gezeigt wurden.
»Der Admiral hält sich nicht mehr an die Übergabeverhandlungen, die er gestern noch bestätigte. Was soll das nur bedeuten, Mr. Watt?«
»Ich verstehe es nicht mehr, Sir. Verträge sind doch heilig. Und ein britischer Admiral kann sich doch nicht zum Büttel des neapolitanischen Hofes machen, Sir.«
»Lassen Sie bitte meine Gig vorbereiten, Mr. Watt. Ich will zu Admiral Kelly.«
Kelly war nicht verwundert, David zu sehen. »Ich weiß, was du sagen willst. Lord Nelson hat heute früh Post aus Palermo erhalten. Der König und der Premierminister fordern ihn zur gnadenlosen Härte gegenüber allen auf, die ihrem König nicht die Treue hielten. Vor allem gegenüber Prinz Caracciolo. Sogar Kardinal Ruffo darf Nelsons Maßnahmen nicht mehr behindern. Lord Nelson schwenkt die Briefe wie ein Banner und zeigt sie allen, die sein Flaggschiff besuchen.«
»Wenn er jetzt die Briefe so hervorhebt, dann heißt das doch, daß er vorher keine Vollmacht aus Palermo hatte. Hugh, dann hat er die Ausführung der
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