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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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vergessen. So schlendern die beiden durch die Straßen und genießen den Tag.

    Im November 1996 fällt in einem Mietshaus in der »Straße der Pioniere« die Heizung aus. Irgendwo ist ein Rohr gebrochen.
    Das Treppenhaus steht unter Wasser. Aufgeregt eilen die Mieter des Hauses zusammen und suchen nach der Ursache.
    Sie finden sie: Das Wasser scheint aus der Wohnung von Ludmilla und Sascha Spesiwtsew zu kommen. Sie klingeln an der Wohnungstür, doch es wird ihnen nicht geöffnet. Sie rufen nach dem Hausmeister, doch der hat seit Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Er will nichts unternehmen.
    »Aber er hat doch eine kostenlose Wohnung, da könnte er doch wenigstens ein klein wenig arbeiten«, beschwert sich eine Mieterin. Dass fast alle Mieter in diesem Haus keine Miete mehr bezahlen, kommt ihr in dem Augenblick nicht in den Sinn.
    »Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wie auch unsere Wohnungen bald unter Wasser stehen«, wirft eine Mieterin des Hauses ein, in Angst um ihren neuen Teppich. Natürlich ist auch sie neugierig, was sich hinter dieser Wohnungstür verbirgt, um die sich so viele Geheimnisse ranken. Längst ist allen bekannt, wie laut es in der Wohnung der Spesiwtsews oft zugeht.
    »Na, so weit muss es noch kommen, dass ich mich von meinem eigenen Sohn schlagen lasse«, bemerkt eine Mieterin, die natürlich auch die Geschichten über den missratenen Sohn der Spesiwtsews kennt. »Wundert Sie das, wenn kein Vater da ist?«, fügt sie noch schnell hinzu.
    Während das Wasser unaufhaltsam aus der Wohnung quillt und niemandem einfällt, wie man das Problem lösen könnte, meldet sich der Mieter aus dem sechsten Stock zu Wort: »Ich rufe einen Installateur, der wird das schon richten.«
    Ein Wunder: Dieser kommt tatsächlich herbeigeeilt – der Grund ist, dass er den Anrufer persönlich sehr gut kennt und weiß, dass er Vorkasse erhalten wird. Auch der Fachmann ortet den Schaden in der Wohnung der Familie Spesiwtsew.
    Er will die Wohnung nicht gleich gewaltsam öffnen. Als aber trotz Klingeln und Klopfen nichts passiert, beschließt er, das Schloss mit einem Bohrer zu knacken. Da die Wohnungstür jedoch mit drei Schlössern gesichert ist, zieht sich die Arbeit des Klempners noch etwas hin. Die Hausbewohner stehen hinter ihm, und ihre Nervosität überträgt sich auf ihn.
    Nach knapp einer Stunde hat er sein Werk vollendet, und er grinst stolz. Die Bewohner aber würdigen ihn keines Blickes mehr, zu sehr interessieren sie sich für die Wohnung. Das Wasser ist nebensächlich geworden.
    »Jetzt werden wir gleich sehen, was an den Gerüchten über diese Familie dran ist«, sagt ein älterer Herr, der zu den ersten Bewohnern des Hauses gehört. Die Stahltür wird langsam geöffnet. Die neugierigste Nachbarin gibt der Tür noch einen Stoß und betritt als Erste die Diele. Aufgeregt ruft sie den Namen des Mieters, doch sie bekommt keine Antwort. Der Klempner und die restlichen Hausbewohner bleiben vor dem Eingang stehen und hören die Rufe der Frau – doch plötzlich verstummt sie. Nur das gluckernde Wasser ist noch zu hören.

    Stille, eine unnatürliche, unheimliche Stille beherrscht die Szenerie. Gestank, kupfern wie geronnenes Blut, steht in der Luft. Noch immer hört man die Frau nicht. Gesichter mit großen Augen und offenen Mündern versuchen, in der dunklen Diele Details auszumachen.
    Die Frau schreit Die Gruppe zuckt zusammen.
    »Hilfe! Hilfe! Polizei! Hier sind lauter Tote!«
    Verstört rennt sie hinaus ins Treppenhaus, an den Schaulustigen vorbei, und schreit nochmals: »Holt doch endlich die Polizei, da sind Tote in der Wohnung!«
    »Ach was, ich habe die Familie doch heute noch gesehen.«
    Mit diesen Worten betritt eine weitere Frau die Wohnung.
    Leichenblass, verstört kommt auch sie nach wenigen Sekunden zurück. Im Flur muss sie sich erbrechen. Da die anderen Wartenden unschlüssig scheinen und kurz davor sind, die Wohnung ebenfalls zu betreten, warnt sie keuchend: »Geht da nicht rein! Holt die Polizei, holt die Polizei… es ist schrecklich.«
    Die Polizeibeamten glauben zunächst an einen Scherz, als sie die Nachricht erhalten: »Kommen Sie schnell, die ganze Wohnung ist voll von Toten ohne Köpfe.«
    Vielleicht ist es auf die Ungeheuerlichkeit der Aussage zurückzuführen, dass die Polizei erst nach zwei Stunden kommt, um die Wohnung zu besichtigen. Noch immer steht im Hausflur ein Pulk aufgebrachter Mieter.
    »Nun lassen Sie uns schon durch«, fordert der eine Beamte die Leute auf; ohne ein

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