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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Akte angefordert, aber Sie wissen ja… wo diese Frauen auch immer ihren Kopf haben! Ich lasse Ihnen den Ordner gleich wieder vorbeibringen.«
    »Ach, die neugierigen Weiber«, mit diesen Worten hat sich das Thema erledigt. Erledigt für alle Ermittler, die eigentlich jede Spur hätten verfolgen sollen. Aber niemand interessiert sich dafür. Man gibt vor, allen Hinweisen nachgegangen zu sein, dabei liegen Aktenleichen zuhauf in der Registratur des Gerichtes. Man befindet es nicht für nötig, auch nur einmal die ungeklärten Fälle der vergangenen Jahre zu überprüfen.

    Vielleicht haben auch einige Akten gefehlt, waren nicht auffindbar für die zuständigen Beamten. Dies würde viel erklären.
    »Alle haben geschlampt. Jeder gab vor, alles getan zu haben, um diese schreckliche Geschichte aufzuklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur ein Beamter versucht hat, weiter zu ermitteln, sobald das Wort Mafia ins Spiel kam«, erklärt ein junger Polizeibeamter, der es wissen muss, denn auch er gehörte dem Sonderdezernat an, das für diesen Fall eigens gegründet wurde.

    »Glauben Sie, ich will mein Leben verlieren?«, erklärt er aufgeregt. »Wenn die Mafia ihre Finger im Spiel gehabt hätte, wäre es nicht nur um mich und mein Leben gegangen, nein, ich hätte das Leben meiner ganzen Familie aufs Spiel gesetzt.
    Würden Sie das tun, für einen Lohn, den sie sowieso nur selten bekommen? Ein Polizist hier in Sibirien ist für die meisten Menschen der größte Trottel. So reden sie auch über uns. Kein Polizist, das ist hier die Meinung, hat eine abgeschlossene Schulbildung. Nur Idioten treten diesen Dienst an, so sagt der Volksmund. Aus diesem Grunde haben wir uns auch nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt, um Täter zu ermitteln, die womöglich unser Leben gefährdet hätten.«
    Auch die Staatsanwaltschaft nicht, was sich noch als großer Fehler herausstellen sollte.

Wasserrohrbruch
    Wladimir, ein pfiffiger Junge von knapp zehn Jahren, schlurft an der Hand seiner Großmutter über den schneebedeckten Boden. Übermütig reißt er die Eiszapfen von den Fensterbänken und lutscht genüsslich an der willkommenen Erfrischung. »Endlich wieder Winter«, ruft er freudig seiner Babuschka zu und hält sein Gesicht zum Himmel. Er genießt die fallenden Schneeflocken, die sich wie Daunenfedern auf seine roten Wangen legen.
    Seine Großmutter freut sich mit ihm und denkt an ihre Jugend. Eine schwere Zeit liegt zwischen damals und heute.
    An der kleinen Hand ihres Enkels will sie nicht mehr an die vergangenen Zeiten denken. Sie genießt das Heute, freut sich, dass sie in Nowokusnezk zu denen gehört, denen es gut geht.
    Dimitri, ihr Sohn, bringt genügend Geld nach Hause, um sich und seiner Mutter ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.
    Wie er sein Geld verdient, obwohl er meist bis Mittag schläft, kümmert die alte Frau nicht. Sie ist glücklich, nicht jede Kopeke zehnmal umdrehen zu müssen, wenn sie ihrem Enkel eine Freude bereiten will. Die Armut, die Not um sie herum beachtet sie nicht. Lange genug hat sie sie durchlebt, die Zeit des ständigen Hungers. Wer will ihr verdenken, dass sie nicht danach fragt, wo all das Geld herkommt. Sie liebt ihren Sohn und ist stolz auf das, was er zu Wege gebracht hat in dieser schwierigen Zeit. Er lebt allein: Die Mutter seines Sohnes ist bei der Geburt gestorben. Seitdem hat er sich verändert. Er, der lebenslustige junge Mensch, ist zu einem stillen, in sich gekehrten Mann geworden. Die alte Frau ist noch einmal aufgeblüht in der tristen Welt Sibiriens. Noch einmal darf sie die Freuden genießen, die diese Stadt zu bieten hat. Der neu gekaufte Kühlschrank ist voller Lebensmittel, die sie früher in den Geschäften nur bewundern konnte. Vergessen ist das Sortieren der billigen Ware vom Markt. Vergessen der Samowar, der umständliche Selbstkocher, von dem die russische Bevölkerung glaubt, ihn erfunden zu haben. Heute besitzt sie einen Elektroherd, und die Zentralheizung bietet sichere Wärme im Winter. Das Haus, das sie mit ihrem Sohn bewohnt, wird separat beheizt und ist nicht an die zentrale Fernheizung angeschlossen. Ein Privileg, das eigentlich nur hohe Beamte und Funktionäre für sich in Anspruch nehmen können. Mit skeptischem Blick betrachtet die Babuschka die vielen Kreditbüros, die in der Stadt erblüht sind. Sie nimmt die kleine Hand etwas fester in die ihre, sieht ihren Enkel nachdenklich an, und sein Lachen lässt sie die dunklen Wolken, die am Horizont aufziehen,

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