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Der Kannibalenclan

Der Kannibalenclan

Titel: Der Kannibalenclan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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und die Decke auf dem Bett nicht neu sind, so sind sie doch gewaschen. Auch ein weißblau gestreiftes Handtuch liegt sauber gefaltet über der Wolldecke. Man war vorbereitet auf den Besuch. Wenn man sieht, in welchem Zustand sich die anderen Zellen befinden, muss man über die saubere Wäsche des verachtetsten Gefangenen dieses Lagers unwillkürlich lachen. Wahrscheinlich hat man sie nach dem Besuch wieder ausgewechselt.

    Saschas Geständnis

    Für Sascha Aleksander Spesiwtsew sind Besuche eine Seltenheit. Kein Verteidiger, kein Pfarrer, niemand hat bei der Lagerleitung je um eine Erlaubnis nachgefragt. Der einzige Besuch, den er ab und zu erhält, ist ein vom Gericht bestellter Psychiater. Dann darf er seine Zelle für ein paar Stunden verlassen und kommt in die Besucherzelle. Doch auch diese Besuche sind weniger geworden, »da man jedes Wort aus ihm herauspressen muss«, sagt der Lagerdirektor Romanow.
    »Fragen und Untersuchungen, die für mich wichtig wären, lehnt er meist ab. Immer wieder ist seine Antwort: ›Ich leugne doch nichts, was wollen Sie denn von mir, und richtig im Kopf bin ich auch.‹« Romanow überlegt, sagt dann: »Sascha lässt uns fühlen, dass er an den Untersuchungen kein Interesse hat.
    Wenn ich ihn nach Tathergängen, nach Einzelheiten frage, weist er alle Fragen mit dem Satz ab: ›Das habe ich alles schon dem Staatsanwalt oder der Polizei erzählt.‹ Nur wenn ich ihm eine Zigarette gebe, erhellt sich ein wenig sein Gesicht, er inhaliert gierig und ist dann wieder schweigsam wie ein Grab.
    Wie soll ich da vernünftig arbeiten?«
    »Wie wollen Sie dann Saschas Geisteszustand einschätzen oder begutachten, wenn er niemanden an sich heranlässt?«
    »Das weiß ich ehrlich gesagt selbst noch nicht. Aber ich habe von der Staatsanwaltschaft erfahren, dass sie ihn in der kommenden Woche erneut verhören will. Bisher hat er zwar die Taten gestanden und sein Geständnis sogar schriftlich fixieren lassen, doch die Staatsanwaltschaft möchte Tathergänge, eben Einzelheiten erfahren, und da werden wir sehen, wie er sich verhält.«
    Ein paar Tage später ist es dann soweit: Die Staatsanwaltschaft hält mit fünf Herren und einer Dame Einzug im Vernehmungsraum des Straflagers. Der einzigen Frau, sie ist vielleicht dreißig Jahre alt, merkt man an, wie unangenehm ihr dieser Besuch ist. Als Schriftführerin hat sie jedoch neben dem Staatsanwalt Platz zu nehmen und damit genau gegenüber von Saschas Stuhl. Eine Videokamera wird aufgebaut, und am Tisch des Staatsanwalts wird ein Mikrofon installiert.
    »Die anderen zwei Herren sind von der Polizei und fungieren als Zeugen. Wir wollen schon sehr genau sein; man soll später nicht sagen können, wir hätten unsere Arbeit nicht korrekt gemacht«, sagt der Staatsanwalt und fügt hinzu:
    »Gerade in diesem Fall.«
    Sascha Spesiwtsew ist wegen der Anzahl der Besucher offensichtlich überrascht, als er das Vernehmungszimmer betritt. Neugierig sieht er sich im Raum um und grüßt mit einem Nicken, bevor er sich setzt. Noch bevor der Staatsanwalt die erste Frage stellt, bittet Sascha: »Sie können mir alle Fragen stellen, aber bitte keine, die meine Mutter betreffen.
    Bitte – keine Fragen zu dem, was sie getan hat. Das fragen Sie sie besser selbst.«
    »Woher kommt denn der plötzliche Sinneswandel bei Ihnen?
    Bei meinen früheren Vernehmungen haben Sie Ihrer Mutter doch immer Vorhaltungen gemacht. Haben nicht Sie Ihrer Mutter vorgeworfen, das Fleisch gekocht und gebraten zu haben?«
    »Das ist richtig, aber ich habe es mir durch den Kopf gehen.
    lassen… ich will nicht schuld sein, wenn meine Mutter die Todesstrafe erhält. Was meine Mutter betrifft, müssen Sie sie schon selbst befragen. Bitte, lassen Sie mich da aus dem Spiel.«
    »Nun gut – klammern wir einmal die Taten Ihrer Mutter aus, kommen wir also zu Ihnen. Sind Sie denn bereit, über alles auszusagen, was man Ihnen zur Last legt?«
    »Natürlich, ich habe doch schon alles gestanden. Ich habe doch unterschrieben, dass ich die neunzehn Mädchen getötet habe. Was wollen Sie denn noch von mir hören?«
    Überrascht steigt der Staatsanwalt sofort in das Gespräch ein: »Waren es nicht vielleicht einige Mädchen mehr als diese neunzehn?«
    »Nein, sonst hätte ich mir doch ihre Namen aufgeschrieben, und ihre … Sie wissen schon… nachgezeichnet.«
    »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das glauben soll, ob es nicht doch noch viel mehr Mädchen waren, die sie zu Hause eingesperrt

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