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Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Tochter. Mit ihren drei Monaten sah Eleanor schon aus wie Maeve: wunderschöne, zarte Haut, klare und regelmäßige Züge. Er berührte eines der winzigen Fingerchen. »So klein!« flüsterte er. Die Hand des Babys war warm und weich wie ein Seidenkissen. Er drückte sie behutsam, und unter ihrer kleinen Steppdecke bewegte Eleanor sich und lächelte im Schlaf.
    »Es geht ihr gut?«
    »Natürlich.«
    Corbett legte die Hand behutsam auf die Stirn des Babys, und Maeve beobachtete ihn wachsam. Ihr Mann, der sonst so ruhig, ja, kühl war, hegte die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich dessen, was dem Kind passieren könnte. Maeve wandte den Blick ab. Was sie auch unternahm, im Herzen ihres Mannes spukten immer noch Geister. Und der am meisten furchterregende — erstaunlich bei einem so distanzierten Mann — war die Furcht, diejenigen zu verlieren, die ihm am nächsten standen, und allein zu sein. Sie nahm ihn bei der Hand.
    »Laß uns gehen«, sagte sie leise. »Unser Gemach ist bereit. Wein, Brot und Früchte stehen am Bett.« Maeve lächelte verschmitzt. »Und das Bett ist mit roter Seide bezogen«, flüsterte sie. »In der Mitte sind zwei Turteltauben eingestickt.« Ihr Gesicht wurde ernst. »Vielleicht möchtest du ruhen? Etwas Süßes trinken? Du mußt müde sein nach dem langen Ritt.«
    Corbett erwiderte das Lächeln. »Ruf Anna«, sagte er leise und zog Maeve an sich. »Sie soll bei Eleanor sitzen, und dann werde ich dir zeigen, wie müde ich bin!«

DREI

    A m nächsten Morgen stand Corbett früh auf. Er löschte die Kerze im Wandhalter und öffnete die Läden vor dem kleinen Fenster, das auf den Garten mit den paar Obstbäumen hinter demHaus hinausging. Der Tag brach an, und schon zerschnitten die ersten hellen Lichtstreifen den Himmel. Er hörte das Läuten der Glocken von St. Lawrence Jewry in der Morgendämmerung; sie gaben wie immer das Zeichen zum Öffnen der Stadttore und zum Beginn des Tagwerks. Corbett kehrte zum Bett zurück und gab seiner schlafenden Frau einen Kuß auf die Wange; dann blieb er eine Zeitlang an Eleanors Wiege stehen und betrachtete seine kleine Tochter, die mit ernster Miene zurückschaute. Er war fasziniert. Das Kind war so friedlich, so gleichmütig. Bevor er aufgestanden war, hatte er sie vor sich hin gurgeln hören; sie hatte geschmatzt und mit der Holzpuppe geplappert, die Maeve neben ihr auf das kleine Polsterkissen gelegt hatte. Widerstrebend wandte er sich ab und zog hastig seine Sachen an, die Maeve am Abend zuvor für ihn auf die Truhe gelegt hatte: eine dunkelblaue Hose und ein weiches, weißes Hemd, dazu ein ärmelloses Wams mit einer Kordel um den Leib. Die aber warf Corbett beiseite. Er wußte, daß er womöglich Grauenhaftes zu erwarten hatte, und so nahm er den Schwertgurt vom Haken an der Wand und schnallte ihn um. Dann nahm er Stiefel und Mantel und schlich sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, gerade als Eleanor bemerkte, daß sie Hunger hatte, und anfing zu brüllen, als wolle sie ihrem Vater einen bisher unbekannten Aspekt ihres Charakters zeigen.
    »Die Tochter ihrer Mutter«, dachte er bei sich, als er die Treppe hinaufstieg und die Tür zu Ranulfs Kammer aufstieß. Wie immer sah es hier aus, als habe ein heftiger Kampf stattgefunden. Daß der Diener anwesend war, erkannte Corbett nur an dem lauten Schnarchen. Genüßlich rüttelte er ihn wach, dann ging er nach unten in die Küche und wartete. Die Küchenjungen hatten noch kein Feuer gemacht; also schenkte er sich einen Becher verdünntes Ale ein. Ranulf erschien; er hatte glasige Augen und war unrasiert. Corbett erlaubte ihm, seinen Durst zu löschen, bevor er den immer noch halb Schlafenden zur Haustür hinaus und über die Straße zur Schenke schob. Es gab den üblichen Aufruhr und scherzhaften Widerspruch, bis ein vierschrötiger Stallknecht die Pferde herausführte und sattelte. Ranulf spritzte sich aus der großen Bütte noch einmal Wasser ins Gesicht und hielt dem Burschen eine Standpauke, in der er ihm zu verstehen gab, daß manche Leute eben arbeiten müßten und sich nicht im Stroh räkeln könnten. Dies wiederum entlockte dem Stallknecht einen Schwall von Beschimpfungen, die Ranulf sich voller Genuß anhörte. Er wandte sich immer wieder um und stieß Schmähungen aus, als sie schon in die Mercery und zum Rathaus hinunter ritten.
    Es würde ein schöner Tag werden; Ladenjungen und Händler zogen bereits ihre Stände vor die Häuser, richteten Stangen auf, spannten Segeltuchplanen und legten ihre

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