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Der Kapuzenmörder

Der Kapuzenmörder

Titel: Der Kapuzenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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die Runde, während die Cheapside sich allmählich füllte. Schon sah er die Huren in ihren bunten Kleidern und den grellfarbigen Perücken. Plötzlich kam ihm der Tag nicht mehr so strahlend vor, denn er erinnerte sich an das, was Maeve von Verstümmelungen gesagt hatte. Ihm war unbehaglich. Sonst hatten seine Gegenspieler, sei es de Craon oder ein berechnender Mörder, immer Gründe und Motive für ihre Taten. Aber jetzt? Jagte er — wie Ranulf es am Tag zuvor vermutet hatte — einen Verrückten, einen Wahnsinnigen mit einem verqueren Haß auf Frauen, dem es leichter fiel, arme Straßendirnen zu überfallen, der sich aber auch ändern konnte und sich dann gegen jede Frau wenden würde, wenn sie nur einsam und verletzlich genug war? Am liebsten hätte Corbett kehrtgemacht und wäre nach Hause zurückgeritten. Ihm war zumute, als müsse er ein sehr dunkles Haus mit einem Labyrinth von Gängen betreten, und irgendwo drinnen lauerte ein Mörder auf ihn. O Gott, betete er, laß mich unversehrt daraus hervorgehen; aus der Falle des Jägers, O Herr, befreie mich.
    Corbetts düstere Stimmung besserte sich nicht, als er am Rathaus einen Büttel sah, der dort auf der Treppe die Habseligkeiten eines gehenkten Verbrechers versteigerte: Einen verschrammten Tisch, zwei zerbrochene Stühle, eine zerrissene Matratze, zwei Fingerhüte, eine Hose, ein Hemd, ein Wams und einen verbeulten, mit silbernen Einlegearbeiten verzierten Zinnbecher. Der Mann hatte anscheinend eine Kirche ausgeraubt, aber sein Komplize war entkommen, und so verkündete jetzt ein ziemlich schäbiger Geistlicher, mit einer * Kerze in der einen und einer Glocke in der anderen Hand, mit lauter Stimme seine Exkommunikation in einer Litanei von Flüchen.
    »Er sei verflucht, wo immer man ihn findet. Daheim oder auf dem Felde, auf Landstraße oder Pfad, im Wald oder auf dem Wasser. Er sei verflucht im Leben und im Sterben, beim Essen und beim Trinken, hungrig oder durstig, im Schlafen, im Wachen, im Stehen, im Sitzen, beim Arbeiten, beim Ruhen, beim Urinieren, beim Koten und beim Bluten. Er sei verflucht im Haar seines Hauptes, an Schläfen und Stirn, an Mund, Brust und Herz, an seinem Geschlecht, an Füßen und Zehennägeln!« Immer weiter ging die furchtbare, eintönige Deklamation.
    »Ich glaube«, sagte Ranulf flüsternd zu Corbett, »das arme Schwein dürfte es inzwischen verstanden haben.«
    Corbett grinste und warf Ranulf die Zügel seines Pferdes zu. »Stell sie bei einer Schenke ein«, befahl er. »Wir treffen uns I drinnen.«
    Ein Bettler mit Kapuze und maskiertem Gesicht kauerte im Eingang des Rathauses und wimmerte um Almosen, während ein Höker auf der anderen Seite hübsche Bänder feilbot. Corbett blieb stehen und bedeutete den beiden, aus dem Weg zu gehen.
    »Ich weiß, wer ihr seid«, sagte er leise. »Ihr seid Banditen und Betrüger; während ich mich mit dem Bettler beschäftige, wird der andere sich heranmachen und mir die Börse stehlen.«
    Die beiden Kerle wieselten hastig davon, und Corbett ging durch den Eingang und über einen Hof in ein kleines Amtsgebäude. Das Rathaus bestand eigentlich aus einer ummauerten Fläche mit mehreren solcher Gebäude, die ein großes, dreistöckiges Haus umstanden. Corbett wartete im Eingang auf Ranulf. Über eine wacklige Holztreppe gelangten sie in einen geräumigen, weißgestrichenen Raum, wo Schreiber an einem Tisch saßen und große Rollen von Velin und Pergament bekritzelten. Keiner von ihnen blickte auf, als Corbett und Ranulf eintraten, aber ein großer, dicker Mann, der am oberen Ende des Raumes saß, erhob sich und kam herbeigewatschelt. Corbett erkannte das pausbäckige rote Gesicht über dem schlechtsitzenden Gewand und dem essensfleckigen Wams.
    »Master Nettler.« Corbett streckte die Hand aus, und Nettler, der Bezirkssheriff für den Norden der Stadt, ergriff sie. Seine wäßrigen blauen Augen leuchteten erfreut.
    »Wir haben Euch erwartet, Hugh. Die Briefe des Königs sind gestern abend gekommen.« Nettler warf einen Blick auf die Schreiber und senkte seine Stimme. »Niemandem kann man trauen«, raunte er. »Der Mörder könnte jeder hier im Zimmer sein. Ich habe nichts damit zu tun. Einer der Untersheriffs wird Euch unterrichten. Kommt! Kommt!«
    Er führte sie hinaus und durch einen Gang in eine kleine, staubige Kammer. Ein Schreiber saß an einem hohen Tisch in der Ecke und kopierte Briefe. Neben ihm stand ein hochgewachsener, breitschultriger, einnehmender Mann, den Nettler als Alexander

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