Der Kapuzenmörder
gesehen wurde, wenngleich die Berichte darüber nur aus zweiter Hand stammen.«
»Wenn er hier ist, führt er Böses im Schilde.«
Cade lachte trocken. »Selbstverständlich. Aber was?«
»Hört, Master Cade, Ihr wißt doch, daß der französische Gesandte de Craon und sein Begleiter de Nevers in London sind? Vorgeblich wollen sie unserem König Freundschaftsbotschaften von ihrem Herrn überbringen, aber einen handfesten Grund für ihre Anwesenheit gibt es nicht.«
»Wollt Ihr damit sagen, sie könnten etwas mit Puddlicott zu tun haben?«
»Möglich ist es. Puddlicott wurde mit Master William Nogaret gesehen, dem Hüter der Geheimnisse Philipps IV.«
Cade schenkte sich auch einen Becher Wein ein und fügte ein großzügiges Quantum Wasser hinzu.
»O ja«, sagte er dann. »Wir wissen, daß de Craon in London ist. Er war bei einem Bürgerempfang dabei und hat dem Bürgermeister seine Akkreditierung überreicht. Seitdem beobachten wir unauffällig sein Haus in der Gracechurch Street, aber er fängt an, uns zu langweilen. Er hat bisher nichts Unziemliches getan; scheinbar interessiert ihn der Schiffsverkehr auf der Themse mehr als alles andere. Und da wir nicht im Krieg mit Frankreich liegen, begeht er damit kein Verbrechen.«
Corbett stand auf und reckte sich. »Alsdann«, seufzte er, »wo fangen wir an?«
Der Untersheriff spreizte die großen Hände. »Wie mein Herr schon sagte, ich stehe zu Euren Diensten.«
»Dann wollen wir Master Cicero folgen — Et respice corpus .«
»Wie bitte, Master Corbett?«
»Laßt uns den Leichnam anschauen.« Corbett nahm seinen Mantel. »Darf ich mir die Namensliste der ermordeten Frauen ausborgen?«
Cade reichte sie ihm.
»Das letzte Opfer — ist es schon begraben?«
»Nein. Die Frau liegt im Leichenhaus von St. Lawrence Jewry.« Cade leerte seinen Becher und schnallte sich den Schwertgurt um. »Wenn Ihr sie ansehen wollt, müßt Ihr Euch aber beeilen. Der gute Pfarrer hat die Absicht, sie heute vormittag neben den anderen zu bestatten.«
»Was war das?« stotterte Ranulf. »Ihr sagtet: >Neben den anderen«
»Ja«, sagte Cade. »Die toten Huren. Die toten Huren werden immer mit einem Karren aus einem kleinen Nebengebäude des Rathauses geholt. Wir bezahlen den Priester von St. Lawrence Jewry dafür, daß er sie beerdigt — einen Shilling jedesmal, wenn ich mich recht entsinne.«
»Und alle außer Lady Somerville sind dort begraben worden?« fragte Ranulf.
»Ja. Und für einen Shilling bekommen sie nicht viel. Ein verschlissenes Leintuch, ein flaches Loch in der Erde und das Totengedenken in der Frühmesse.«
»Erhebt nie jemand Anspruch auf die Leiche?«
»Natürlich nicht. Diese armen Mädchen kommen aus Schottland, aus Irland, aus Flandern, aus Städten und Dörfern bis Cornwall im Westen und Berwick-on-Tweed im Norden.«
»Und niemand kommt zu ihrer Beerdigung?«
»Nein. Wir haben auch schon daran gedacht und sorgfältig die Augen offengehalten.« Cade schauderte es. »Sie werden wie Hunde verscharrt«, murmelte er. »Nicht mal ihre Stammkunden kommen, um ihnen freundlich Lebewohl zu sagen.« Corbett trank seinen Wein aus und gab Cade den Becher. »Ihr mögt rot werden, Master Cade, aber ich muß Euch sagen, daß der König Euch sehr schätzt.«
Der Untersheriff machte ein verlegenes Gesicht und scharrte mit den großen Stiefeln.
Corbett ließ seine Falle säuberlich zuschnappen. »Aber ist es nicht merkwürdig, daß Ihr es versäumt habt, eine Liste mit den Freiern der Huren anzufertigen? Wer hat sie besucht? Eure Informanten sind in der Lage, Euch über das Auftauchen eines Gauners wie Puddlicott in Kenntnis zu setzen, nicht aber über die Freier toter Huren.«
Cades Lächeln erstarb. »Schaut.« Der Untersheriff setzte sich auf einen Schemel und zählte die einzelnen Punkte an den stumpfen Fingern ab. »Erstens: Einige dieser Huren waren hochklassige Kurtisanen. O ja, im Tode sind sie arm, aber als sie noch lebten, genossen sie die Gunst etlicher reicher und mächtiger Männer in der Stadt...«
»Halt«, unterbrach Corbett. »Einige dieser jungen Damen haben für ihre Dienste Silber und Gold bekommen. Was ist damit geschehen?«
Cade zog die Mundwinkel herab. »Die meisten geben gleich alles aus, was sie verdienen. Wenn sie sterben, wird ihre Habe von Leuten geplündert, die es besser wissen sollten. Schließlich haben sie ja keine Erben oder Verwandte, und so wird das, was von ihrem Besitz noch übrigbleibt, sofort von der Krone
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