Der Kapuzenmörder
gesetzt.«
»Und Ihr habt nichts Verdächtiges bemerkt?«
»Nein, überhaupt nichts. Und mehr kann ich Euch auch nicht erzählen. Adam von Warfield, der könnte Euch besser helfen.« Und damit drehte der Kerl sich um und rannte davon wie ein Kaninchen, das den Fuchs gesehen hat.
Corbett sah Cade an, zog die Brauen hoch und ging durch die Pforte zurück auf das Abteigelände. Der Untersheriff lachte laut, als Ranulf den Akzent und die seltsamen Possen des Verwalters nachäffte.
Vor ihnen erhob sich die massige Abteikirche mit ihren steinernen Ornamenten, mit zähnefletschenden Wasserspeiern und Visionen der Hölle. Corbett betrachtete die Figuren, fasziniert von dem Grauen, das die Steinmetze so feinsinnig abgebildet hatten. Unter einem triumphierenden Christus auf dem Richterstuhl wurden die Verdammten von gräßlichen Dämonen abgeführt, um in einem großen Faß mit brodelndem Öl gesiedet zu werden, während Teufel die armen verlorenen Seelen mit Speeren und Schwertern traktierten, wie Köche es mit kochendem Fleisch tun.
Corbett hörte ein Geräusch und schaute nach links über die weite, leere Fläche des alten Friedhofs. Gras und Unkraut wuchsen dort fast anderthalb Yard hoch, aber Corbett entdeckte doch den alten Gärtner, der sein Bestes tat, um die Umgebung der Gräber zu säubern.
»Sir«, rief Corbett, »da habt Ihr aber eine stattliche Aufgabe.« Der Mann wandte sich halb um und schaute Corbett mit wäßrigen Augen an. Seine Wangen waren schmutzig.
»Oh, aye«, antwortete er mit dem Tonfall eines Mannes vom Lande und klopfte gegen einen schiefen Grabstein. »Aber meine Kunden stört das nicht.«
Corbett lächelte und schaute hinüber zu den großen runden Gebäuden, die den Friedhof überragten.
»Ist dort das Kapitelhaus?«
Cade nickte.
»Und die Krypta liegt darunter?«
»Ja.«
Corbett betrachtete die dicken Stützpfeiler und die massigen Granitmauern. »Sagt mir doch noch einmal, wie man in die Krypta hineinkommt.«
»Nun, hinter dem Kapitelhaus ist der Kreuzgang«, sagte Cade. »Aber in die Krypta gelangt man nur durch eine Tür in der südöstlichenEcke der Abteikirche. Wie ich schon sagte, die Tür ist versiegelt. Hinter dieser Tür führt ein niedriger, gewölbter Gang eine steile Treppe hinunter. Die Treppe wurde zertrümmert, und um in die Krypta hinunterzusteigen, wo der Schatz liegt, müssen besondere Leitern verwendet werden.« Cade machte schmale Augen. »Aber das habe ich Euch doch schon erzählt. Wieso also das neuerliche Interesse?«
»Ich dachte nur gerade an Pater Benedicts kryptische Botschaft.« Bei dem Wortspiel mußte Corbett lächeln. »Ich habe mich gefragt, ob seine Warnung die Schatzkammer betraf. Vielleicht hatte er etwas gesehen?«
Cade schüttelte den Kopf.
»Das bezweifle ich. Die Tür zur Schatzkammer ist versiegelt, verriegelt und verschlossen, und selbst, wenn Ihr hineinkommt, benötigt Ihr Belagerungswerkzeuge, um ins Herz der Krypta vorzudringen. Zudem bezweifle ich, daß die braven Brüder jemandem erlauben würden, mit Säcken voll Gold aus ihrer Krypta herauszuklettern.«
Corbett pflichtete ihm widerstrebend bei, und sie gingen auf das Hauptgebäude der Abtei zu. Ein triefäugiger, schlurfender Laienbruder nahm ihnen die Pferde ab, und dann führte er sie durch Gänge mit steinernem Fußboden zum Gemach Adam von Warfields.
Corbett verspürte sofort Abneigung gegen den Sakristan. Er war groß, kantig und wirkte pedantisch, hatte eine lange Hakennase und einen spröde geschürzten Mund. Corbett fand den Blick seiner Augen unter den zottigen Brauen unstet und unbehaglich. Warfield aber hieß sie mit zierlichem Flattern der langen Knochenfinger freundlich genug willkommen und bot ihnen Ale und Brot an, was Corbett ablehnte, auch wenn Ranulf maulte. Die drei setzten sich einigermaßen verlegen auf eine Bank wie Knaben in der Schule, und der Sakristan hockte ihnen gegenüber auf einem hohen Schemel und verbarg die Hände in den weiten Ärmeln seiner braunen Kutte. Zu gefaßt, fand Corbett, zu friedfertig: kein Mann, dem man die Führung einer großen Abtei anvertraut. Zunächst wechselten sie ein paar oberflächliche Worte; Corbett erkundigte sich nach dem alten Abt, der ans Bett gefesselt war, und äußerte sein Beileid zum Tod des kürzlich verstorbenen Priors Roger. Adam von Warfield schien das wenig zu bewegen. »Wir haben die Kunde nach Rom geschickt«, schnarrte er. »Aber noch haben wir keine Vollmacht erhalten, einen neuen Prior zu wählen.« Er
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