Der Kapuzenmörder
das ornamentale Mauerwerk der Abtei und des Palastes von Westminster. Durch eine kleine Pforte in der Nordmauer gelangten sie auf das königliche Gelände; zur Rechten sahen sie die massige Abtei, und ein wenig näher bei ihnen, säuberlich zwischen Abtei und Palast eingekeilt, erhob sich die wunderschöne Kirche von St. Margaret. Aber die Pracht von Abtei und Kirche wurde durch ein rostiges Gerüst beeinträchtigt, das die Maurer krumm und schief vor den Fassaden errichtet hatten, bevor sie ihre Arbeit eingestellt hatten, als der Krone das Geld ausgegangen war.
Cade deutete nach Norden, an der anderen Seite der Abtei vorbei. »Dort hinten«, sagte er, »mitten in einem kleinen Obstgarten, findet Ihr die Ruinen von Pater Benedicts Haus. Und dort, hinter der Abteikirche«, er schwenkte seinen Arm herum, »ist das Kapitelhaus, in dem sich die Schwestern der Hl. Martha treffen. Wollen wir dort zuerst hingehen?«
Corbett schüttelte den Kopf. »Nein, erst gehen wir in den Palast und sprechen mit dem Verwalter; vielleicht können wir von ihm noch mehr erfahren.«
Cade verzog das Gesicht. »Der Verwalter ist William von Senche. Er ist meistens halb betrunken und weiß dann nicht einmal, wie spät es ist. Ihr wißt ja, wie das ist, Sir Hugh; ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse.«
Sie führten die Pferde in den Palasthof. Der König war seit mehreren Jahren nicht mehr hier gewesen, und die Spuren der Vernachlässigung waren unübersehbar. Unkraut sproß auf dem Palasthof, die Fenster waren verrammelt, die Türen verschlossen und verriegelt, die Stallungen leer, die Beete überwuchert. Ein Köter kam herausgelaufen, blieb mit gesträubten Nackenhaaren stehen und kläffte sie an, bis Ranulf ihn verjagte. Bei der Schatzkanzlei fanden sie einen verdrossen blickenden Diener, den sie auf die Suche nach William von Senche schickten. Dieser erschien schließlich oben an der Treppe der Kapelle von St. Stephen, und Corbett fluchte leise. William von Senche sah aus wie das, was er war: ein geborener Trunkenbold. Er hatte vorquellende Fischaugen, einen sabbernden Mund und eine Nase, so feuerrot wie ein Leuchtfeuer. Mit seinem struppigen roten Haar und den buschigen Brauen war er ein sehr häßlicher Mann. Er war bereits reichlich bezecht, aber als er begriff, wer Corbett war, bemühte er sich, tapfere Miene zu machen; seine Antworten waren knapp und abrupt, aber er schaute immer wieder beiseite, als wolle er etwas verbergen.
»Nein, nein«, erklärte er unwirsch, »ich weiß nichts über die Schwestern der Hl. Martha. Sie versammeln sich in der Abtei, und dort«, fügte er dunkel hinzu, »hat Abt Wenlock zu bestimmen. Und der ist sehr krank.«
»Wer hat dann die Verantwortung?«
»Na ja, da sind ja nur fünfzig Mönche, und die meisten sind alt. Prior Roger ist tot, und so hat der Sakristan die Verantwortung, Adam von Warfield.«
Der Mann tänzelte von einem Fuß auf den anderen, als plage ihn ein gewisses Bedürfnis. Seine Nervosität nahm zu, als Cade sich auf der einen und Ranulf auf der anderen Seite aufbauten.
»Kommt schon, kommt schon, Master William«, sagte Corbett mit leisem Tadel. »Ihr seid ein wichtiger Beamter, nicht irgendein höfischer Schmetterling. Es gibt da noch andere Dinge, über die wir mit Euch reden wollen.«
»Zum Beispiel?«
»Vor allem über Pater Benedicts Tod.«
»Ich weiß nichts«, platzte der Kerl heraus.
Corbett packte ihn behutsam vorn an seiner essensfleckigen Jacke. »Das«, erklärte er, »war die letzte Lüge, die Ihr mir auftischen werdet. Am Abend des Dienstag, des 12. Mai, habt Ihr entdeckt, daß Pater Benedicts Haus in Flammen stand.«
»Ja, ja.« Der Unterkiefer des Burschen klappte herunter. »Und wie konnte Euch das gelingen? Vom Palasthof aus ist das Haus nicht zu sehen.«
»Ich konnte nicht schlafen. Ich ging spazieren. Ich sah Rauch und Flammen und läutete die Alarmglocke.«
»Und dann?«
»Zwischen den Bäumen ist ein kleiner Brunnen. Wir holten Eimer, aber die Flammen loderten wild.« Der Mann zog die Lippen herunter, so daß er noch mehr aussah wie ein gestrandeter Karpfen. »Als das Feuer aus war, durchsuchten wir die Zimmer. Pater Benedict lag gleich hinter der Tür.«
»Hatte er einen Schlüssel in der Hand?«
»Ja.«
»Ist Euch sonst etwas aufgefallen?«
»Nein.«
»Und wißt Ihr, wie das Feuer ausgebrochen ist?«
»Pater Benedict war alt; vielleicht hat er eine Kerze fallenlassen, oder eine Öllampe, oder ein Funke vom Feuer hat das Haus in Brand
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