Der Kardinal im Kreml
nicht viel höher sein!« Graham lachte in sich hinein. »Wir haben den Vogel eigens in Position manövriert, um das auszunutzen. Er war bis auf drei Grad direkt über der Anlage, und ich bezweifle, daà der Iwan Zeit hatte, diesen Ãberflug vorauszusehen.«
»Da ist Duschanbe«, flüsterte Jack, als ein Teil der Tadschikischen Sowjetrepublik sichtbar wurde. Die erste Ãbersicht bekamen sie durch Weitwinkelkameras. Insgesamt hatte der umlaufende Aufklärungssatellit KH-14 elf Ãbersichten aufgenommen. Der Vogel war erst seit drei Wochen im Orbit und entstammte der neuesten Generation von Spähern. Duschanbe â vor ein paar Jahrzehnten noch Stalinabad â war eine der uralten Karawanenstädte. Nach Afghanistan waren es keine hundert Meilen; Timur-Lengs legendäres Samarkand lag nicht weit im Nordwesten, und vielleicht war Scheherazade vor tausend Jahren hier durchgezogen.
Doch mit dem Seidenhandel hatte das gegenwärtige Interesse der CIA an Duschanbe nichts zu tun. Nun kam ein Bild von einer der hochauflösenden Kameras, die erst in ein tiefes Gebirgstal spähte, wo Beton und Stein eines Wasserkraftwerks einen Fluà stauten. Obwohl der Damm nur fünfzig Kilometer südöstlich von Duschanbe lag, liefen die Hochspannungsleitungen nicht zu dieser Stadt mit 500 000 Einwohnern, sondern führten zu einer Reihe von Berggipfeln fast in Sichtweite der Anlage.
»Das sieht aus wie die Fundamente einer neuen Mastengruppe«, merkte Ryan an.
»Ja, parallel zur ersten«, stimmte Graham zu. »Die Anlage
erhält neue Generatoren. Nun, wir wuÃten ja die ganze Zeit, daà sie nur die Hälfte der verfügbaren Leistung des Wasserkraftwerks liefert.«
»Wie lange dauert es, bis der Rest ans Netz geht?« fragte Greer.
»Da muà ich erst bei einem unserer Fachberater fragen. Der Bau der Hochspannungsleitung nähme nur ein paar Wochen in Anspruch. Ich gehe davon aus, daà die Fundamente für die neuen Generatoren schon liegen. Nun müssen nur noch die Aggregate eingebaut und angeschlossen werden. Höchstens sechs Monate noch, vielleicht acht, wenn das Wetter schlecht wird.«
»So schnell?« fragte Jack verwundert.
»Man hat Personal von zwei anderen Wasserkraftwerken abgezogen. Ãber diese Anlage lieà man kein Wort verlauten, nahm für ihre Fertigstellung aber Bautrupps von zwei weithin publizierten Vorhaben. Der Iwan weià seine Anstrengungen zu konzentrieren, wennâs sein muÃ. Sechs bis acht Monate, das ist eine vorsichtige Schätzung, Dr. Ryan. Es kann durchaus schneller gehen.«
»Wie hoch wird nach der Fertigstellung die Leistung sein?«
»Der Bau ist nicht besonders groÃ. Gesamthöchstleistung mit den neuen Generatoren? Elfhundert Megawatt, schätze ich.«
»Eine Menge Strom für diese paar Berggipfel«, sagte Ryan wie zu sich selbst, als das Bild wechselte.
Der Berg, der bei der CIA den Codenamen âºMozartâ¹ trug, war beileibe nicht klein, nahm sich aber im Vergleich zum Himalaja, zu dessen westlichstem Ausläufer er gehörte, winzig aus. Zum Gipfel war eine StraÃe gesprengt worden, und oben hatte man auch einen Hubschrauberlandeplatz gebaut. Insgesamt bestand der Komplex aus sechzehn Gebäuden. Ein Wohnblock für die Ingenieure und ihre Familien, erst vor sechs Monaten fertiggestellt, ein Theater, ein Krankenhaus. Eine Bodenstation neben dem Gebäude mit den wenigen Geschäften empfing über Satellit Fernsehprogramme. Diese Art von für sowjetische Verhältnisse
schon fast übertriebener Fürsorge war auÃergewöhnlich und nur hohen Parteibürokraten und bei hochwichtigen Verteidigungsprojekten Beschäftigten vorbehalten. Dem Wintersport diente die Anlage jedenfalls nicht.
Das machten die Umzäunung und die Wachtürme überdeutlich; drei parallele Zäune mit jeweils zehn Meter Abstand. Der äuÃere Zwischenraum war vermint, im innern patrouillierten Hunde. Am inneren Zaun standen in zweihundert Meter Abstand die Wachtürme. Die Soldaten, die sie bemannten, waren in Betonbaracken von überdurchschnittlicher Qualität untergebracht.
»Können Sie einen Wachposten herausvergröÃern?« fragte Ryan.
Graham sprach in sein Telefon, und das Bild veränderte sich sofort. Mit zunehmender VergröÃerung wurde aus einem sich bewegenden Fleck ein Mann, der einen langen Mantel und vermutlich eine
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