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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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Übersetzung. Gerasimows Englisch war akzeptabel, wenn auch akzentbefrachtet. Ryan war fünfunddreißig, stellte er fest, und hatte sich im Geschäftsleben, der akademischen Welt und beim Geheimdienst ausgezeichnet. Bei der CIA war er rasch aufgestiegen. Verbindungsoffizier in London. Die erste Einschätzung war von der politischen Überzeugung eines KGB-Analytikers gefärbt: »wohlhabender, verweichlichter Dilettant«. Nein, das konnte nicht stimmen. Dazu war er zu rasch hochgekommen, es sei denn, er verfügte über politischen Einfluß, der aus diesem Profil hier nicht ersichtlich war. Buchautor, stellte Gerasimow fest; zwei seiner Werke waren in Moskauer Bibliotheken verfügbar. Ein stolzer Mann, an Komfort und Privilegien gewöhnt. Gerasimow
wandte seine Aufmerksamkeit wieder Platonows Depesche zu.
    Â»Evaluation«, schloß die Nachricht. »Subjekt wird nicht von ideologischen oder finanziellen Überlegungen motiviert, sondern von Zorn und einem verletzten Ego. Er fürchtet eine Gefängnisstrafe, die damit verbundene Schmach aber noch mehr. Es ist zu vermuten, daß I. P. Ryan über die Informationen, die er zu haben behauptet, verfügt. Sollte die CIA tatsächlich einen Maulwurf in der Moskauer Zentrale plaziert haben, bekam Ryan vermutlich Daten von ihm zu sehen, wenn auch nicht seinen Namen oder sein Bild. Anhand der Daten sollte die undichte Stelle zu identifizieren sein.
    Empfehlung: Das Angebot sollte aus zwei Gründen angenommen werden. Erstens, um den amerikanischen Spion zu enttarnen. Zweitens zur Nutzung von Ryan in der Zukunft. Diese einmalige Gelegenheit hat zwei Aspekte. Schalten wir Belastungszeugen gegen Ryan aus, steht er in unserer Schuld. Wird diese Aktion entdeckt, kann sie der CIA angelastet werden; die unvermeidlichen Ermittlungen werden dem amerikanischen Geheimdienst schweren Schaden zufügen.«
    Â»Hmmm«, brummte Gerasimow und legte die Akte beiseite.
    Der Hefter über Agent Cassius war viel umfangreicher. Dieser Mann war im Begriff, zu einer der besten Washingtoner Quellen des KGB zu werden. Gerasimow, der diese Akte bereits kannte, blätterte sie rasch durch, bis er zu den letzten Informationen kam. Vor zwei Monaten hatten Ermittlungen gegen Ryan begonnen, Details unbekannt. Die Meldung von Cassius bezog sich auf unbestätigte Gerüchte. Ein Pluspunkt für Ryan, dachte der Vorsitzende. Damit stand fest, daß sein Angebot nichts mit den jüngsten Entwicklungen zu tun hatte ...
    Filitow?
    Wenn nun der hochplazierte Agent, den Ryan identifizieren konnte, gerade jener war, den sie just festgenommen hatten?

    Nein. Ryan saß in der CIA-Hierarchie hoch genug, um nicht ein Ministerium mit dem anderen zu verwechseln. Schlimm war nur, daß Gerasimow eine undichte Stelle im KGB derzeit überhaupt nicht gebrauchen konnte. Schlimm genug schon, daß sie existierte, aber wenn die Nachricht aus dem Gebäude drang ... Das konnte eine Katastrophe bedeuten. Wenn wir eine echte Ermittlung in Gang setzen, wird der Skandal bekannt. Und wenn wir den Spion in unserer Mitte nicht finden ... und wenn er so hoch plaziert ist, wie Ryan behauptet ... was, wenn die CIA herausfindet, was Alexandrow und ich ... ?
    Was würde sie dann tun?
    Und was, wenn das Ganze hier ...?
    Gerasimow lächelte und schaute aus dem Fenster. Dieser Platz würde ihm fehlen, das spannende Spiel. Jedes Faktum hat drei Seiten, jeder Gedanke sechs. Nein, wenn er das glauben sollte, mußte er annehmen, daß Cassius von der CIA gesteuert wurde und daß das Ganze schon vor Filitows Verhaftung geplant worden war. Ausgeschlossen.
    Die Entscheidung war gefallen.
    Doch Gerasimow war kein impulsiver Mann. Er wies Platonow an, einige Einzelheiten durch Agent Cassius verifizieren zu lassen.
    Â 
    Das KGB-Büro in Washington war größer als das der CIA in Moskau. Platonow, der resident, bestellte gewöhnlich um 7.30 Uhr seine Abteilungsleiter zur Morgenbesprechung, ließ heute aber einen seiner Offiziere früher erscheinen.
    Â»Guten Morgen, Genosse Oberst«, sagte der Mann korrekt. Für lockeren Ton ist das KGB nicht bekannt.
    Â»Besorgen Sie von Cassius Informationen über den Fall Ryan. Es muß unbedingt bestätigt werden, daß er in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist, und zwar heute noch, wenn es geht.«
    Â»Heute?« fragte der Mann mit Unbehagen, als er die schriftliche Anweisung entgegennahm. »Es ist

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