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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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entlarven?«
    Â»In diesem Fall schon. Der amerikanische Agent war geschickt und hatte einen scharfen Instinkt.«
    Der ältere Mann grunzte. »Nun, zwei Wochen werden wir wohl noch abwarten können. Es ist mir zwar unangenehm, das tun zu müssen, während die amerikanische Delegation hier ist –«
    Â»Es wird erst nach ihrer Abreise soweit sein. Sollte es zu einer Übereinkunft kommen, haben wir nichts verloren.«
    Â»Es ist Wahnsinn, unsere Waffen zu reduzieren!« beharrte Alexandrow. Für Michail Petrowitsch hatten Kernwaffen noch immer den gleichen Stellenwert wie Panzer und Geschütze: je mehr, desto besser. Wie die meisten politischen Theoretiker gab er sich nur ungern mit Fakten ab.
    Â»Die neuesten und besten Raketen werden wir behalten«, erklärte Gerasimow geduldig. »Wichtiger noch, unser Projekt Heller Stern macht gute Fortschritte. Mit Hilfe der Errungenschaften unserer Wissenschaftler und der Erkenntnisse über das amerikanische Programm werden wir in weniger als zehn Jahren in der Lage sein, die Rodina gegen jeden Angriff zu schützen.«

    Alexandrow tat das Thema mit einer Geste ab. »Ich habe gestern abend mit Wanejew gesprochen.«
    Â»Und?«
    Â»Er ist unser, weil er die Vorstellung nicht ertragen kann, daß sein süßes Töchterchen, diese Schlampe, ins Lager kommt. Ich habe ihm erklärt, was wir von ihm erwarten. Das war ganz einfach. Sowie Sie das Geständnis aus diesem Filitow herausgeholt haben, holen wir zum Rundumschlag aus. Besser, alles in einem Aufwasch zu erledigen.«
    Â»Die möglichen Reaktionen des Westens bereiten mir noch Kummer«, merkte Gerasimow vorsichtig an.
    Der alte Fuchs lächelte in seine Teetasse. »Narmonow wird einen Herzanfall erleiden. Er ist ja im entsprechenden Alter. Natürlich keinen tödlichen, aber er wird abtreten müssen. Wir versichern dann dem Westen, daß wir seine Politik weiterführen werden –, ich kann auch mit dem Abrüstungsvertrag leben, falls er bis dahin geschlossen sein sollte.« Alexandrow machte eine Pause. »Es hat keinen Sinn, den Gegner unnötig in Aufregung zu versetzen. Ich bin nur am Primat der Partei interessiert.«
    Â»Selbstverständlich.« Gerasimow wußte, was jetzt kam, und lehnte sich zurück, um es noch einmal über sich ergehen zu lassen.
    Â»Narmonow muß Einhalt geboten werden, sonst ist die Partei erledigt! Dieser Narr verschleudert, was wir erarbeitet haben! Wäre die Führung der Partei nicht gewesen, lebte nun ein Deutscher in diesem Haus! Wo wären wir ohne Stalin, der dem Volk das Rückgrat stählte? Und diesen Mann verdammt Narmonow, unseren größten Helden – nach Lenin«, beeilte sich der Akademiker hinzuzufügen. »Dieses Land braucht eine starke Hand. Das erkennt und versteht unser Volk.«
    Gerasimow nickte zustimmend und fragte sich, warum dieser taprige Greis immer wieder in dieselbe Kerbe hauen mußte. Die Partei hatte kein Interesse an einer starken Hand, die Partei selbst bestand aus Tausenden kleinen, zupackenden, raffenden Händen: den Mitgliedern des ZK,
den kleinen Apparatschiks, die ihre Beiträge zahlten, Sprüche klopften, bis ihnen alles, was die Partei sagte, zum Halse heraushing, aber doch mitmachten, weil man nur so vorankam, und Vorankommen Privilegien bedeutete: ein Auto, Urlaub in Sochi, Blaupunkt-Radios ...
    Jeder hat seinen blinden Punkt, das wußte Gerasimow. Alexandrow war verborgen geblieben, daß so gut wie niemand mehr an die Partei glaubte, und er wäre entsetzt gewesen, wenn er gewußt hätte, daß sein junger Verbündeter nur auf die Macht aus war, die Macht als Selbstzweck, und nur den status quo ante wiederherstellen wollte. Die Sowjetunion sollte weiterwursteln wie bisher, sicher in ihren Grenzen und bemüht, die Revolution in Länder zu exportieren, wo sich eine Gelegenheit bot. Und die Zügel würde Gerasimow in den Händen halten – unangefochten, mit dem KGB als Machtbasis. So hörte er sich Alexandrows Tiraden ruhig an und nickte hin und wieder. Außenstehende würden sich an die zahllosen Bilder erinnert gefühlt haben, auf denen Stalin hingerissen den Worten Lenins lauscht. Und wie Stalin hatte Gerasimow vor, diese Worte zu seinem Vorteil zu nutzen. Gerasimow glaubte an Gerasimow, und sonst an niemanden.

18
    Â»Ich habe doch gerade erst gegessen!« sagte Mischa.
    Â»Unsinn«,

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