Der Kardinal im Kreml
Perkins an.
»Ich spüre das im Bauch, wie sie Dr. Long anschaut und wie sie sich gegenüber Gregory verhält. Wie auch immer â was können wir da schon groà tun?« meinte Margaret Jennings beim Anfahren. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, Beatrice Taussig zu verfolgen, aber der Tag war schon lang genug gewesen. »Wir haben keine Beweise, und wenn wir welche bekämen und handelten, wäre die Hölle los.«
»Glauben Sie denn, daà die zu dritt â«
»Will, Sie haben wieder Sexmagazine gelesen.« Agentin Jennings lachte. Perkins war Mormone und hatte vermutlich noch nie etwas Pornographisches angerührt. »Diese beiden sind so verliebt, daà sie keine Ahnung haben, was um sie herum vorgeht â von der Arbeit abgesehen. Wetten, daà selbst ihr Bettgeflüster hochgeheim ist? Taussig fühlt sich von ihrer Freundin im Stich gelassen und ist sauer. Das ist alles, Will.«
»Und wie stellen wir das in unserem Bericht dar?«
»Als Fehlanzeige.« Sie hatten den Auftrag erhalten, Gerüchten nachzugehen, denen zufolge gelegentlich fremde
Autos vor dem Haus hielten, in dem Gregory und Long wohnten. Ursprung des Gerüchts war vermutlich ein SpieÃer aus der Nachbarschaft gewesen, der sich an der Tatsache stieÃ, daà die beiden ohne Trauschein zusammenlebten. Das machte sie zwar noch nicht zum Sicherheitsrisiko, aber ...
»Ich finde, wir sollten die Taussig unter die Lupe nehmen.«
»Wohnt sie allein?«
»Bestimmt.« Es würde einige Zeit in Anspruch nehmen, bis jeder, der bei Tea Clipper eine leitende Position innehatte, überprüft war, aber solche Ermittlungen durfte man nicht überhasten.
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»Sie hätten nicht hierher kommen sollen«, sagte Tanja Bisjarina sofort, lieà sich aber ihren Zorn nicht anmerken, sondern nahm Bea Taussig an der Hand und führte sie ins Haus.
»Ach, Ann, es ist einfach grauenhaft!«
»Setzen Sie sich erst einmal. Wurden Sie verfolgt?« Tanja Bisjarina kochte innerlich. Sie kam gerade aus der Dusche, war noch im Bademantel und hatte sich ein Handtuch um den Kopf geschlungen.
»Nein, ich habe den ganzen Weg aufgepaÃt.«
Von wegen, dachte Tanja Bisjarina. Sie wäre überrascht gewesen, wenn sie erfahren hätte, daà das stimmte. Trotz der laschen Sicherheitsvorkehrungen bei Tea Clipper hatte ihre Agentin mit ihrem Erscheinen gegen alle Regeln verstoÃen.
»Sie können nicht lange bleiben.«
»Ich weiÃ.« Bea Taussig putzte sich die Nase. »Die erste Version des neuen Programms ist praktisch fertig. Gregory hat es um achtzigtausend Zeilen gekürzt; der Wegfall der ganzen Computerspielereien war wohl entscheidend. Wissen Sie was? Ich glaube, der hat das neue Programm im Kopf â ich weiÃ, ich weiÃ, das ist unmöglich, selbst für einen Streber wie ihn.«
»Bis wann können Sie â«
»Das weià ich nicht.« Bea Taussig lächelte flüchtig. »Eigentlich sollte er für Sie arbeiten, denn er ist der einzige, der das ganze Projekt versteht.«
Leider haben wir nur Sie, hätte Tanja Bisjarina beinahe gesagt. Dann überwand sie sich und ergriff Beas Hand.
Die Tränen begannen wieder zu flieÃen. Beatrice warf sich praktisch in Tanjas Arme. Die Russin drückte sie an sich, versuchte, Sympathie für ihre Agentin aufzubringen. Während der Ausbildung hatte man ihr beim KGB beigebracht, daà Agenten mit einem Gemisch aus Sympathie und Disziplin zu behandeln waren. Man muÃte mit ihnen umgehen wie mit verzogenen Kindern, Vergünstigungen mit Zurechtweisungen kombinieren, damit sie parierten. Und Agentin Livia war wichtiger als die meisten anderen.
Dennoch fiel es ihr schwer, das Gesicht dem Kopf an ihrer Schulter zuzuwenden und die Wange zu küssen. Zum Glück brauche ich nicht weiter zu gehen, dachte Bisjarina. Bisher war es noch nie soweit gekommen, aber sie fürchtete den Tag, an dem âºLiviaâ¹ mehr von ihr verlangen mochte â was unvermeidlich war, wenn sie erst einmal erkannte, daà ihre Angebetete nicht das geringste Interesse an ihr hatte. Tanja Bisjarina fand ihre Agentin faszinierend. Beatrice Taussig war auf ihre Art brillant und eindeutig intelligenter als die KGB-Frau, die sie führte, hatte aber so gut wie keine Menschenkenntnis. Und in dieser Beziehung fiel sie in die gleiche Kategorie wie dieser Al Gregory, den sie so verachtete.
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