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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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schon zur Einsatzreife bringen, dann sollten wir wenigstens wissen, ob es auch funktioniert.«
    Der junge Offizier nickte nachdenklich, aber seine Gedanken rasten. Das war ein Leckerbissen von einem Auftrag. Er war dem Minister durch dessen Referenten direkt verantwortlich. Wenn er gute Arbeit leistete, bekam er den Stempel des Ministers in seine Personalakte. Damit waren ihm die Sterne eines Generals, eine größere Wohnung für seine Familie, eine gute Ausbildung für seine Kinder und so viele andere Dinge garantiert, für die er sich jahrelang abgemüht hatte.
    Â»Genosse Oberst, weiß man von meinem Kommen?«
    Mischa lachte spöttisch. »Wird das bei der Roten Armee jetzt so gehalten? Kündigen wir Inspektionen etwa an? Nein, Gennadi Iosifowitsch, die Wahrheit garantiert uns nur der Überraschungseffekt. Hier habe ich einen Brief für Sie; er ist von Minister Jasow persönlich. Der wird Sie durch die Kontrollen bringen – die Sicherheit obliegt unseren Kollegen vom KGB«, fügte Mischa hinzu. »Hiermit haben Sie freien Zugang zur gesamten Anlage. Sollten Sie irgendwelche
Schwierigkeiten bekommen, rufen Sie mich sofort an. Über diese Nummer bin ich immer zu erreichen.«
    Â»Wie detailliert soll das Gutachten ausfallen, Genosse Oberst?«
    Â»So detailliert, daß auch ein müder, alter Panzersoldat wie ich kapiert, worum es bei dieser Hexerei geht«, sagte Mischa ohne Humor. »Glauben Sie denn, daß Sie bei allem durchblicken werden?«
    Â»Wenn nicht, werde ich Sie informieren, Genosse Oberst.« Eine vorzügliche Antwort, fand Mischa. Bondarenko würde noch weit kommen.
    Â»Sehr gut, Gennadi Iosifowitsch. Wann können Sie abreisen?«
    Â»Handelt es sich um eine große Anlage?«
    Â»Ja. Dort wohnen vierhundert Akademiker und Ingenieure und ungefähr sechshundert Arbeiter. Für Ihr Gutachten können Sie sich eine Woche Zeit lassen. Gründlichkeit ist hier wichtiger als Schnelligkeit.«
    Â»Dann muß ich eine Uniform zum Wechseln einpacken. In zwei Stunden kann ich unterwegs sein.«
    Â»Bestens. Dann nichts wie los.« Mischa schlug eine neue Akte auf.
    Â 
    Wie üblich blieb Mischa einige Minuten länger im Büro als sein Chef. Seine persönlichen Dokumente verschloß er in Aktenschränken, den Rest ließ er von einem Boten abholen und ins Zentralarchiv bringen. Der Bote lieferte eine Aktennotiz ab, derzufolge Oberst Bondarenko um 17.30 Uhr mit Aeroflot nach Duschanbe abgeflogen war; für den Transfer vom Flughafen zu ›Heller Stern‹ sei gesorgt. Filitow nahm sich vor, Bondarenko zu seiner Geschicklichkeit zu gratulieren. Als Mitglied des Generalinspektorats des Ministeriums hätte Bondarenko sich nämlich auch mit einer Sondermaschine zum Militärflughafen der Stadt bringen lassen können – wo Angehörige der Sicherheitskräfte sein Eintreffen bemerkt und an ›Heller Stern‹ weitergemeldet hätten. So aber bekam Bondarenko die Chance, die Leute unten in Tadschikistan ohne Vorwarnung anzugehen.

    Filitow erhob sich und griff nach Mantel und Aktentasche. Einen Augenblick später verließ er sein Büro. Sein Sekretär, ein Unteroffizier, bestellte automatisch seinen Wagen. Das Fahrzeug stand bereit, als Mischa aus dem Gebäude trat.
    Vierzig Minuten später war Filitow in bequemen Kleidern. Der Fernseher lief und verbreitete einen Schwachsinn, der nur aus dem Westen importiert sein konnte. Mischa saß allein am Küchentisch und hatte eine Halbliterflasche Wodka neben seinem Teller stehen. Die Abendmahlzeit bestand aus Schwarzbrot, Wurst und Mixed Pickles und unterschied sich kaum von dem, was er vor zwei Generationen mit seinen Männern im Feld gegessen hatte. Er fand, daß er einfache Speisen besser vertrug als feine, eine Tatsache, die das Krankenhauspersonal bei seiner letzten Lungenentzündung gründlich verwirrt hatte. Nach jedem zweiten Bissen trank er einen Schluck Wodka und starrte aus dem Fenster, dessen Vorhänge auf eine bestimmte Art arrangiert waren. Die Straßenlaternen von Moskau brannten hell, an den Wohnsilos leuchteten zahllose gelbe Rechtecke.
    An die Gerüche konnte er sich jederzeit erinnern, den Duft der guten russischen Erde, den Gestank nach Diesel und den Treibladungen für ein Panzergeschütz. Für einen Panzersoldaten waren dies die Gerüche des Kampfes, zusammen mit dem häßlichen Gestank

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