Der Kartograph
schmerzender Brust und völlig erschöpft auf sein Lager sinken ließen.
Sie schafften es gerade noch rechtzeitig, den Kartographen hinter die schützenden Mauern des Gymnasiums von SaintDié zu bringen und die Blutung zu stillen.
Martin Waldseemüller erwachte erst am nächsten Morgen aus seiner tiefen Bewusstlosigkeit. Matthias Ringmann saß auf einem Schemel neben seinem Lager.
«Mein lieber Ilacomylus, meinst du nicht, dass du es langsam übertreibst mit deinen Ohnmachten? Willkommen zurück in der Welt.»
Der Schmerz in seinem Oberschenkel fuhr wie ein Dolchstoß durch sein Bewusstsein, als er versuchte, sich aufzurichten. Er sank zurück, zitternd vor Schwäche. «Verdammt. Ja, du hast Recht. Und ich danke dir.»
«Wofür?»
«Wärst du nicht gewesen, hättest du mich nicht zur Seite gestoßen, hättest du nicht Hilfe geholt, dann wäre ich jetzt wohl nicht mehr am Leben.»
Ringmann lachte. «Dich einem Mörder überlassen, gar der ewigen Ruhe, solange deine Karte nicht fertig ist? Glaub ja nicht, dass du dich jetzt einfach so davonschleichen kannst. Andere Leute haben nämlich auch jede Menge Arbeit und Hirnschmalz investiert.»
Martin Waldseemüller grinste Ringmann an, etwas verzerrt, sein Gesicht blieb dabei kalkweiß – da war sie wieder, jene Schnoddrigkeit, mit der der Freund seine Gefühle zu überspielen pflegte.
«Und du brauchst nicht zu glauben, dass du mich so schnell los wirst.»
«Ich sehe schon, auch deine Lebenslust kehrt …»
In diesem Moment kam Gauthier Lud mit einem Mann in die Kammer, den Martin Waldseemüller als den Medicus von Saint-Dié kennengelernt hatte. Wie viele in diesem kleinen Vogesenort war er hoch gebildet, hatte an der Universität Basel studiert. Meist weilte er jedoch nicht in Saint-Dié, sondern am Hof des Herzogs von Lothringen, der den fähigen Arzt in seine Umgebung geholt hatte.
«Ah, Ihr seid wieder unter den Lebenden», Gauthier Lud strahlte, als er sah, dass Martin Waldseemüller die Augen geöffnet hatte.
«Und seine Wangen werden auch bald wieder an Farbe gewinnen. Der Körper ist ein wahres Wunderwerk und ist sogar in der Lage, verlorenes Blut zu ersetzen. Selbst in dieser Menge. Obwohl es schon knapp war, Magister Waldseemüller. So, Ihr seid also der berühmte Kartograph des Herzogs von Lothringen, von dem alle Welt spricht. Selbst am Hof in Nancy, in Toul, wo immer ich hinkomme, jeder wartet mit Spannung auf das große Werk. Wie ich höre, sollen ja vorläufig erst einmal eine große Weltkarte, Globensegmente und die Introductio unseres Freundes Philesius hier erscheinen. Und jedermann munkelt hinter vorgehaltener Hand, dass diese Karte wirkliche eine Sensation zu werden verspricht. Doch keiner weiß genau, warum. Ach, ich sehe schon an den Gesichtern, dass ich hier nicht mehr über dieses sorgsam gehütete Geheimnis erfahren werde.»
«Woher wisst Ihr, dass wir die Herausgabe des überarbeiteten Ptolemäus verschoben haben? Dass wir eine Weltkarte planen. Und dass es Globensegmente geben wird?» Die Spannung in der Stimme Ringmanns war unüberhörbar.
Der Medicus musterte ihn erstaunt. «Ihr erweckt den Anschein, als hätte ich gerade ein streng gehütetes Geheimnis ausgeplaudert. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr. Ich habe schon länger davon erfahren. Ich nehme an, am Hof in Nancy. Ich weiß nur, dass mich die Nachrichten sehr erstaunt haben. Denn bis dahin hatte ich nur von einer neuen Seekarte gehört. Wer mir das erzählt hat? Nein, es fällt mir einfach nicht mehr ein. Vielleicht sogar Herzog René von Lothringen selbst? Ich weiß es wirklich nicht mehr.»
Die Miene von Gauthier Lud hatte sich zunehmend verfinstert. «Ich musste den Herzog informieren. Er hat das Recht, alles zu erfahren, was hier geschieht. Denn ohne die Herzöge von Lothringen gäbe es das Gymnasium von Saint-Dié nicht. Er ist unser Herr, obwohl er mich, uns, niemals als Untergebene, sondern immer als hoch geehrte Vertraute behandelt hat. Er hatte mir jedoch zugesagt, strengstes Stillschweigen zu bewahren. Auch er sah die Gefahr, dass ein anderer uns zuvorkommen könnte. René II. von Lothringen bricht sein Wort nicht. So müssen wir also endgültig davon ausgehen, dass es in unseren Reihen einen Spion gibt. Ich hatte immer noch gehofft, dass wir uns irren.»
Betretenes Schweigen breitete sich aus. «Und damit ist wohl auch erwiesen, dass jemand das Erscheinen der Karte mit allen Mitteln verhindern will», meldete sich Matthias Ringmann zu Wort.
«Wieso meint Ihr
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