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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Sevilla bestimmen. Ereignet sich aber die Erscheinung an dem Orte, wo man sich befindet, früher, so ist seine Länge von Sevilla östlich.
Ich habe nunmehr erkundet, wie es kommt, dass die Magnetnadel, die im Kompass steckt, sich beständig nach einem bestimmten Punkt richtet. Die Ursache hiervon ist, dass der Magnet sich immer nach dem Pol zu kehren bemüht ist, weil er am ganzen Himmel keinen anderen Punkt in der Ruhe findet.»
    Den folgenden Satz sprach Martin Waldseemüller leise mit. «Dieses ist wenigstens meine Erklärung hierfür und an ihr werde ich festhalten, bis die Erfahrung mich eines Besseren belehrt.»
    «Ein faszinierender Gedanke, das würde vieles erklären», meldete sich Gauthier Lud zu Wort. Er hätte dieses Gespräch liebend gerne noch weitergeführt, nahm aber davon Abstand, als er sah, dass Martin Waldseemüller am Ende seiner Kräfte war. «Doch jetzt braucht unser Kranker Ruhe. Er ist völlig erschöpft. Wenn wir ihm nicht die Zeit zur Erholung geben, dann kann es sein, dass die gesuchten Paradiese, zu denen er der Menschheit den Weg weisen will, zumindest für ihn nicht mehr von dieser Welt sind. Und wenn er wieder erwacht, dann braucht er eine kräftige Rinderbrühe und einen kräftigen Schluck Rotwein gemischt mit Holunderbeersaft. Das Rot hilft dem Körper, neues Blut zu bilden, meine ich. Und die Brühe stärkt.»
    «Ja, natürlich.» Philesius war anzusehen, wie ungern auch er jetzt das Gespräch abbrach. «Aber vorher müssen wir dafür sorgen, dass unser Freund hier in Sicherheit ist.»
    «Wie soll das gehen?», erkundigte sich Nicolas Lud. «Mit einem Ablenkungsmanöver. Das machen alle großen Feldherren so. Ich weiß, das klingt nach Krieg. Aber mir scheint, die ganzen Umstände gleichen einer Art heftigem Abwehrgefecht. Vielleicht fallen jene darauf herein, die Ilacomylus ans Leder wollen. Er hat doch anfangs an einer Seekarte gearbeitet, nicht wahr? Was haltet Ihr von dieser Idee: Wir werden überall verlauten lassen, dass er den Gedanken an die Weltkarte aufgegeben hat. Genauer gesagt, daran, überhaupt eine Weltkarte herauszubringen, die einen vierten Erdteil zeigt. Wir werden außerdem verbreiten, dass es auch keine zwölf Globensegmente gibt, weil die neue officina libraria von Saint-Dié damit überfordert wäre. Und wir werden allen erzählen, dass die erste Arbeit der neuen Druckerei von Saint-Dié deshalb die ursprünglich geplante, sehr viel kleinere hydro-geologische Karte sein wird.»
«Das wird sie nicht», erklärte Martin Waldseemüller entschlossen.
«Oh doch, das wird sie», widersprach Gauthier Lud. «Ringmann, dieser Einfall ist genial. Das wird die Gegner zunächst einmal ruhig stellen, wer auch immer sie sein mögen, vor allem dann, wenn die hydro-geologische Karte erschienen ist. Ihr müsst nicht lügen, Euren Überzeugungen nicht abschwören, Ilacomylus. Auf der Seekarte wird zwar kein neuer Kontinent zu erkennen sein, aber der Südosten der Territorien, die Vespucci erforschte. Und kurz danach kommt dann der große Donnerschlag, ganz Europa wird aufhorchen: die Waldseemüller-Weltkarte, die Globensegmente und die Ringmann-Introductio.»
«Aber wir nennen dieses Land America», beharrte Martin Waldseemüller, der an den Brief dachte, den er an Vespucci geschrieben hatte.
«Also gut», stimmte Gauthier Lud zu. Philesius hat mir den Text gezeigt. Das wird jene mundtot machen, die behaupten, diese Seekarte sei keine Sensation, nicht wahr?»
«Die Idee hat noch etwas für sich», ergänzte Nicolas Lud. «Bevor wir das große Werk drucken, haben wir die Gelegenheit, unsere Presse auszuprobieren und unsere Möglichkeiten durchzuspielen. Ein offizieller Probeabzug sozusagen. Und wenn diese Karte dann einmal erschienen ist, dürfte Ilacomylus in Sicherheit sein.»
Allen war klar, dass sie es genau so handhaben würden.
Waldseemüller lag auf seinen Bett und war inzwischen weiß wie Kalk.
«Wir sollten gehen», meinte Gauthier Lud. Sein Neffe nickte.
Ilacomylus hob die Hand. «Bleibt noch einen kurzen Moment, Philesius», bat er mit schwacher Stimme.
«Zitiere mir, wie hat er das Paradies beschrieben, weißt du das noch?», forderte er ihn auf, nachdem die anderen beiden gegangen waren. Philesius machte eine für ihn ungewöhnliche Geste; er nahm die Hand des Freundes, ehe er mit seinem Zitat begann.
    «Auf der Weiterfahrt kamen wir in ein Land, das stark mit Menschen angefüllt war. Die Tiere, die wir dort sahen, gleichen den unseren nicht, ausgenommen Löwen,

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