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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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wohl alle einig. Das Wissen darum beinhaltet auch die Möglichkeit, von dieser einen – der gelösten Frage – zu den tausend weiteren Inseln zu segeln, vielleicht Reichtümer und Paradiese zu finden, also doch noch nach El Dorado zu gelangen oder nach dem sagenhaften Atlantis, und das früher und schneller als der Rest der Welt. Vielleicht gibt es das Paradies ja doch, irgendwo in diesen unermesslichen Weiten.» Er verstummte, er fühlte sich so müde.
«Dieser Meinung bin ich auch», stimmte Gauthier Lud zu. «Ich bin ebenfalls überzeugt, dass das erst ein Anfang ist, dass wir erst den kleinsten Teil dieser Erde kennen, auf der wir leben, dass noch Millionen von Fragen auf Antworten warten und unzählige Wunder auf ihre Entdeckung. Dass wir jetzt eigentlich erst beginnen zu verstehen, wie groß diese Welt ist, die Gott geschaffen hat, und wie klein wir eigentlich sind. Und dass wir es möglicherweise niemals ganz begreifen werden.»
«Vielleicht ist das Streben nach immer mehr Wissen ja nichts als der jämmerliche Versuch des Menschen, Gott ähnlicher, vielleicht sogar wie Gott zu werden, vergessen zu machen, eine wie unbedeutende Kreatur er eigentlich ist», ergänzte Matthias Ringmann.
«Oder durch Wissen Unsterblichkeit zu erlangen. Denn nur der stirbt wirklich, den die Welt vergisst», fügte Martin Waldseemüller hinzu.
«So, gibst du es also endlich zu, mein Freund Ilacomylus. Du willst berühmt werden mit deiner Karte. Es geht dir nicht nur darum, ganz uneigennützig die Tür zur Welt des Wissens für alle Welt zu öffnen», flachste Ringmann.
Der so Angesprochene grinste nur. Er bewunderte den Freund für seine Fähigkeit, eine Situation durch einen kleinen Scherz zu entspannen. Und ein wenig hoffte er auch, dass das Gespräch damit vom eigentlichen Thema abgelenkt war.
Gauthier Lud war indessen nicht der Mann, den man so leicht ablenkte. «Ihr spracht von einem Geheimnis, Ilacomylus …»
Waldseemüller nickte. «Ich glaube, dass Vespucci auf seinen Reisen etwas unglaublich Wertvolles für die weitere Erkundung unserer Welt herausgefunden hat. Eine zusätzliche Möglichkeit, die Position eines Schiffes zu bestimmen, weit präziser, als dies bisher möglich war.»
Die Männer im Raum waren ganz Ohr. «Und was sollte das sein? Wie sollte das funktionieren?», erkundigte sich Lud.
Waldseemüller schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, es hat etwas mit den Sternen zu tun. Vespucci hat sie immer wieder genau beschrieben und ihre Position bestimmt.
    Dieses Land liegt unter dem gleichlaufenden Bogen, den der Erdenzirkel des Krebses beschreibt, indem der Pol daselbst dreiundzwanzig Grade über dem Gesichtskreise erhaben ist.
    Das ist nur ein Beispiel. Und er hat auch beschrieben, dass er viele Dinge genauer berechnen könne als die anderen Seefahrer. Ich glaube, er kann die Längengrade berechnen. Er schreibt selbst …» Er brach ab. Er konnte nicht mehr.
    Ringmann stieß einen leisen Schrei aus. «Ilacomylus, natürlich, er hat es geschrieben, es war die ganze Zeit vor unseren Augen. Ich bin die Texte so oft durchgegangen, das ich sie auswendig weiß. Warum habe ich nicht daran gedacht. Dieser Mann hat Recht. Hört zu, ich hoffe, dass ich die Worte noch richtig im Gedächtnis behalten habe:
    Ich bin im Laufe dieser Zeit in die Geheimnisse der Schiffswissenschaft dergestalt eingedrungen, dass ich mit dem Torquetum, dem Jakobsstab, dem Universal-Ring, dem Astrolabium und all den anderen Instrumenten der Seefahrer umzugehen weiß.»
    «Das ist es, genau, das ist die Stelle.» Wieder versuchte Waldseemüller sich aufzurichten, wieder sank er stöhnend auf sein Lager.
    «Seid ruhig, Ilacomylus, erholt Euch. Wo war ich? Ach ja. Auch ich verstehe itzo, mit Hilfe des Mondes die geographische Länge eines Ortes zu bestimmen. Habt Ihr das gehört? Er sagt es selbst. Ich hatte das als Aufschneiderei abgetan, sogar als Verfälschung des eigentlichen Textes, weil jeder sagt, es ist nicht möglich. Aber vielleicht stimmt das ja gar nicht, vielleicht ist er viel weitsichtiger als wir. Vespucci schreibt weiter:
    Hierzu ist es freilich nötig, dass man genau die Zeit wisse, wenn der Mond zu Sevilla bei einem gewissen Stern erscheint. Da dieser an östlich gelegenen Orten früher eintritt als an den im Westen liegenden, so kann man aus der Zeit, die zwischen dem Augenblicke verfließet, wo solches in Sevilla beobachtet werden kann, und der Minute, wo man es selbst sieht, die westliche Länge des Ortes von

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