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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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umfassender erforscht und ein anderer vierter ist durch Americus Vesputius (wie im Folgenden zu hören) entdeckt worden. Ich wüsste nicht, warum jemand mit Recht etwas dagegen einwenden könnte, diesen Erdteil nach seinem Entdecker Americus, einem Mann von Einfallsreichtum und klugem Verstand, Amerige, nämlich Land des Americus, oder America zu nennen. Denn auch Europa und Asien haben ihren Namen nach Frauen genommen. Seine Lage und die Gebräuche seines Volkes sind aus den zweimal zwei Reisen des Americus, die unten folgen, leicht zu erfahren. So ist die Erde in dieser Weise schon als in vier Erdteile unterteilt bekannt, und es sind die ersten drei Erdteile Kontinente, der vierte ist eine Insel, weil man gesehen hat, dass er überall von Meer umgeben ist.
    Sag, wie findest du das?»
Martin Waldseemüller war verblüfft. «Du willst das Land,
das die Spanier las Indias nennen, America taufen?» «Ist es nicht genial? Ich lobe mich ja nur ungern. Ich bin
eben wie du davon überzeugt, dass erst Vespucci wirklich die
Ausmaße begriffen, ja, dass erst er überhaupt dieses Land gefunden hat. Wieso sollte es also nicht America heißen? Komm, Ilacomylus, lass uns Nägel mit Köpfen machen. Du glaubst an die epochale Entdeckung eines neuen Erdteils, glaubst, dass erst Vespucci die wirklichen Dimensionen dieser Territorien erkannt hat. Entweder wir sind von dem überzeugt, was wir vorhaben, oder wir sollten es lassen. Was sollen da noch Zweifel? Du gibst der bekannten Welt neue Umrisse, und gemeinsam geben wir
Mundus novus einen Namen.»
Martin Waldseemüller betrachtete Matthias Ringmann eine
Weile stumm. «Gut. Warum nicht. Es gibt schlechtere Gründe,
einen Namen zu vergeben.» Dann ging er zu dem Stapel von
hölzernen Druckstöcken und wühlte in den Skizzenblättern,
verglich, packte sein Schnitzmesser und begann in etwa dort,
wo das untere Drittel des neuen Erdteils begann, etwa auf halber Strecke unterhalb von jenem Ort, an dem Vespucci seine
Reise entlang der Küste begonnen hatte, spiegelbildlich den ersten Buchstaben zu schnitzen: A.
«Ich denke, wir sollten Amerigo Vespucci mitteilen, was wir
vorhaben», erklärte er schließlich. Ich werde ihm noch einmal
einen Brief mit deinem Text schicken. Dann kann er nicht anders. Dann muss er sich melden.»
«Du hoffst noch immer darauf, dass er dir alle seine Geheimnisse verrät?»
Martin Waldseemüller zuckte ein wenig hilflos mit den
Schultern. «America» – das war seine letzte Hoffnung. Am übernächsten Tag kam die Druckerpresse über die Vogesen. Es war ein hartes Stück Arbeit, sie über die bereits teilweise verschneiten Berge zu schleppen. Halb Saint-Dié beteiligte
sich auf die Bitte von Gauthier Lud hin an dieser Arbeit. Nicolas Lud leitete den Transport. Er war persönlich nach Straßburg
gereist, um die so lange ersehnte Presse abzuholen. Auch die
Einrichtung der neuen officina libraria war in den letzten Wochen mehr und mehr komplettiert worden.
Inzwischen war alles vorhanden, was zum Gießen der beweglichen Lettern notwendig war. Da stand der Trog zum Anfeuchten des Papiers, daneben die Ingredienzien zum Anfertigen der Druckerschwärze. Und auch die Aufgaben waren schnell verteilt. Pierre Jacobi sollte Gauthier Lud als Chalcographus, als Meister der Druckerei, unterstützen. Außerdem oblag es ihm, die Instandsetzung der Presse zu überwachen. Darüber hinaus fungierte er als oberster Schriftsetzer, als Compositore. Jean Basin und Matthias Ringmann waren sowohl Lektoren als auch Korrektoren, Nicolas und Gauthier Lud würden die Probeabzüge kontrollieren, zwei der Künstler wurden von der Arbeit am Chorgraduale von Saint-Dié abgezogen, um Martin Waldseemüller bei seiner Arbeit zu helfen und nach seinen Anweisungen die Details der zwölf hölzernen Druckstöcke für
die Karte sowie die zwölf Globensegmente zu ergänzen. Damit wusste nun jeder in Saint-Dié, was wirklich im Busch
war.
Alle sprachen von nichts anderem als dem ersten großen
Werk, das in der officina libraria von Saint-Dié erscheinen und
die junge Druckerei damit berühmt machen sollte. Der große
Atlas musste eben warten. Es war noch immer keine Handschrift gefunden worden, die dem ptolemäischen Original auch
nur im Entferntesten ähnelte. Allerdings tauchte auch hier ein
Silberstreif am Horizont auf. Martin Waldseemüllers Onkel
Jakob schrieb, er habe von einem solchen Manuskript gehört,
Genaueres wisse er aber nicht. Es solle sich jedenfalls in Basel
befinden.
Und nun, da alle

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