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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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arbeiteten so schnell und doch so sorgfältig wie möglich. Denn inzwischen war es schon Februar 1507, und noch immer hatte die Druckerei ihr erstes Werk nicht herausgebracht.
    Doch es folgte. Zwei Wochen später. Eine einfache Seekarte mit dem Titel « Orbis Typus Universalis Juxta Hydrographorum Traditionem ». Sie war mit einem Netz aus Linien überzogen, die künftigen Seefahrern die Richtungen der Winde anzeigen sollten, die ihre Schiffe über die Meere trieben. Es war ansonsten keine besonders bemerkenswerte Seekarte, hergestellt in der üblichen Art. Eine dieser hydrographischen Karten eben. Sie war noch nicht einmal sonderlich monumental. Von der neuen Welt war nur ein kleines Stück zu sehen, und auch das nicht einmal sehr detailliert. Eigentlich wies diese Karte nur eine Besonderheit auf: Über den neuen Territorien prangte quer ein Name – «America».
    Die neue officina libraria von Saint-Dié druckte nur wenige Exemplare. Die Qualität des Drucks sei unzulänglich, erklärte Gauthier Lud. So fanden sie keine weite Verbreitung. Und die Welt, die auf die große Sensation gewartet hatte, ging schnell wieder zu ihren Alltagsgeschäften über.
    Das galt auch für Piero Soderini, als er die Seekarte aus Saint-Dié sah. Er lächelte. Dieser Waldseemüller konnte einem in seiner Ahnungslosigkeit schon fast leid tun, fand er und verstand selbst nicht mehr, warum der Kartograph ihm ein solches Kopfzerbrechen bereitet hatte. Der Mann wurde völlig überschätzt.
    Ringmann stand neben dem Setzkasten, zusammen mit Jean Basin hatte er bereits mit der Arbeit begonnen. Er betrachtete das Schriftbild in der Form mit Wohlgefallen. Selbst spiegelbildlich sah diese Antiqua gut aus.
    «COSMOGRAPHIAE INTRODU
CTIO / CUM QUIBUS
DAM GEOME
TRIAE
AC
ASTRONO
MIAE PRINCIPIIS AD
EAM REM NECESSARIIS
Insuper quatuor Americi Ve
spuci navigationes»,
    las er halblaut vor. Seine Einführung in die Kosmographie, neun Kapitel, auf der Grundlage der vier Reisen des Amerigo Vespucci. Für den eigentlichen Text war, soweit machbar, der Blocksatz vorgesehen. Das sollte die Qualität der handwerklichen Arbeit der neuen Druckerei von Saint-Dié noch unterstreichen. Es zeugte von der Kunstfertigkeit einer Offizin, wenn die Zeilen gleich lang waren. Gutenberg hatte extra Buchstabenkürzel entwickelt, um Zeilen ausgleichen zu können. Die Introductio sollte von ihrer Qualität her der wunderbaren Karte von Ilacomylus ebenbürtig sein. Der Freund war dabei, mit Globensegmenten und Weltkarte ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Es trug den Titel
    «Der ganzen Welt Beschreibung sowohl auf einem Globus als auch auf einer Plankarte einschließlich der Länder, die dem Ptolemäus unbekannt waren und die jüngst entdeckt worden sind.»
    Erneut schaute er hinüber zu ihm. Martin Waldseemüller arbeitete konzentriert. Philesius hatte es selten erlebt, dass die Hand des Freundes mit dem Schnitzmesser ausgerutscht war. Ilacomylus war nicht nur ein hervorragender Gelehrter und Kartograph, er war auch ein Künstler, der vielen Großen seiner Zeit in nichts nachstand. Schon allein all diese Details, die seine Karte belebten – die Schiffe, die Flaggen und Embleme der Länder, die Darstellung von Bergen und Ebenen. Dann die wirbelnden Wolken und Winde, die die Karte umrahmen würden. Sie wirkten so lebendig in ihrem Licht und Schatten, überraschend reliefartig. Er konnte sich gut vorstellen, wie die Götter des Ostens, des Westens, des Südens und des Nordens dem Betrachter einmal entgegenblicken würden. Ilacomylus schuf ein Werk, das der Ewigkeit würdig war. Doch noch gab es nicht einmal den ersten Probeabzug – weder von der Introductio noch von der Karte.
    Es klopfte an der Tür. Die Männer im Raum unterbrachen ihre Arbeit. Es war deutlich zu sehen, wie sich ihre Körper versteiften. Der Mordanschlag auf Martin Waldseemüller hatte allen zu schaffen gemacht, auch wenn sich die erste Anspannung inzwischen schon etwas gelegt hatte.
    Der Wächter an der Türe machte keine Anstalten, dieselbe zu öffnen. Sein Gesichtsausdruck wurde – sofern dies überhaupt möglich war – noch ein Stück grimmiger. «Wie ein Krieger der so gefürchteten Mamelucken», dachte Martin Waldseemüller und musste innerlich schmunzeln. Dann rief er sich zur Ordnung. Dieser ganze Aufwand geschah nur seinetwegen. Um den Kartographen von Saint-Dié zu schützen.
    «Lasst uns herein, ich bin es, Gauthier Lud. Und an meiner Seite wartet der Herzog von Lothringen.»
Luds Stimme kannte

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