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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harvell
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Trommelwirbel, der sich
langsam aufbaut, wuchs die Erregung in mir. Ich würde ihr Orpheus sein und sie
wegzaubern! Aber ich zwang mein Herz zur Ruhe. »Nicolai«, sagte ich. »Vorsicht
ist von allergrößter Bedeutung. Wenn Gräfin Riecher Verdacht schöpfen würde,
könnte das bedeuten, dass ich sie nie wiedersehe.«
    »Vorsicht?« Er überlegte. »Vielleicht
sollten wir Remus fragen.«
    Ich half Nicolai, als er sich mühsam
in Remus’ Zimmer schleppte. Ein schmales Bett nahm fast den gesamten Raum ein,
Bücherstapel den Rest. Nicolai stolperte darüber und fiel halb auf das Bett,
sodass Remus vom Knarren des Bettrahmens schlagartig wach wurde, gerade
rechtzeitig, um zu verhindern, von Nicolai zerquetscht zu werden, der
herumzappelte wie ein riesiger Fisch, der versucht, in den Fluss
zurückzuspringen. Als es ihm endlich gelungen war, sich aufzurichten, griff er
nach Remus’ Hemd. Er schüttelte den kleineren Mann. »Remus, wach auf! Moses ist
verliebt. Verliebt! Wach auf!«
    »Ich bin schon wach«, sagte Remus und
schob Nicolais Hände von seinem Hals weg. »Dafür hast du gesorgt.«
    »Dann steh auf und tanze herum! Es ist
nämlich wahr – und sie liebt ihn auch! Jahrelang hatten sie heimliche
Rendezvous in einer Dachkammer, und er hat für sie gesungen, bis sie weinte.
Sie ist so schön wie eine Prinzessin, und das Beste von allem ist, dass sie
hier ist, hier in Wien! Verheiratet mit einem bösen Mann. Wir müssen sie retten
und die beiden wieder zusammenbringen.« Nicolai fiel beinahe in Ohnmacht.
    »Er ist … er ist nicht wirklich böse«,
murmelte ich.
    »Ach, ich habe den romantischsten Teil
fast vergessen«, fügte Nicolai hinzu. Seine Hände hatten von dem immer noch
erschreckten Remus abgelassen und fuchtelten in der Luft herum, wo sie
versuchten, eine ferne Sonne zu ergreifen. »Sie kennt sein Gesicht nicht.«
    »Kennt sein Gesicht nicht?«, fragte
Remus.
    »Sie hat eine Augenbinde getragen.«
    »Eine Augenbinde? Warum?« Remus wandte
sich an mich, und ich bekam einen heißen Hals.
    »Das ist doch gleichgültig«, sagte
Nicolai. »Wichtig ist, dass sie seine Stimme kennt. Sie kennt sie besser, als
die meisten das Gesicht ihres Geliebten kennen. Er braucht nur zu sprechen –
oder zu singen! Dann bekommt er sie zurück, und sie können fliehen!«
    Nicolai hob seinen Arm in die Höhe und
versuchte, auf unsere Flucht in der Zukunft zu zeigen. Er stieß dabei Remus’
Lampe um, die glücklicherweise nicht brannte, aber das Glas zersplitterte.
    »Bist du nun still!«, schrie Remus.
    »Wie kann ich …«
    »Sag nichts! Ich muss mit Moses
sprechen.« Remus sah mich ernst an. »Stimmt es, was er sagt?«
    »Er ist kein böser Mann, dieser
Anton«, sagte ich. »Der Rest stimmt weitgehend. Sie liebt ihn nicht. Das weiß
ich.«
    »Und bist du dir sicher, dass sie dich
liebt?«, fragte er. »Moses, das ist eine gefährliche Sache. Wird sie wirklich
ihren Mann und seine Familie verlassen?«
    Sie warteten beide auf meine Antwort.
Ich brauchte nur einen Moment, um unsere Liebesgeschichte der Klänge Revue
passieren zu lassen. »Ich bin mir ganz sicher«, sagte ich. Nicolai klatschte in
die Hände, und sogar Remus lächelte.
    »Dann schreibe ich eine Botschaft«,
sagte er.
    »Eine Botschaft?«, fragte Nicolai.
»Aber Remus, du schreibst so langweilig.«
    »Das tut nichts zur Sache«, sagte er.
»Es ist einfach. Ich werde ihr lediglich die Tatsachen unterbreiten. Moses
lebt. Er wird auch in der Oper sein. Sie soll sich an einem bestimmten Punkt
davonstehlen.«
    »Wenn Orpheus Eurydike in die Augen
sieht!«, flüsterte Nicolai.
    »Oder in einem anderen Moment«, sagte
Remus. »Das ist unerheblich.«
    »Das ist unerheblich«, schimpfte Nicolai. »Remus, diese Bücher, die du immer
liest, sind an dich verschwendet.« Aber Nicolai lächelte dabei. Plötzlich
jedoch verdunkelte sich sein Gesicht. »Aber Remus, es gibt einen Haken bei
deinem Plan. Du hast etwas übersehen. Wie soll sie die Botschaft erhalten?«
    Remus nickte mir wissend zu.
    »Moses wird sie ihr selbst übergeben.«
    »Ich?«
    »Ja«, sagte Remus. »Du bist Guadagnis
Schüler, sein Bote. Als dieser gewährt man dir Zutritt zu jeder Loge in der
Oper. Du könntest sogar der Kaiserin einen Brief überbringen. Jedem, der dich
fragt, sagst du, dass du der Dame einen Brief von dem Virtuosen persönlich
bringst. Sie werden glauben, er hat sie von der Bühne aus bewundert.«
    »Remus«, sagte Nicolai, »du bist ein
Genie!«
    Remus lächelte stolz.
    Unser Plan war

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