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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harvell
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dem Prinzen mit Freude leben würden. Ich habe
Euch Nahrung gegeben. Ich habe Euch mehr Wein gegeben, als irgendein Mann
trinken sollte. Ich baue Euch die größte Kirche in der Eidgenossenschaft. Und
Ihr? Was habt Ihr mir gegeben? Was habt Ihr dieser Abtei gegeben? Ihr betet.
Ihr esst. Ihr psalmodiert. Ihr trinkt. Ihr schlaft. Mehr nicht.«
    Schwach wandte Nicolai ein: »Der
heilige Benedikt sagt …«
    »Der heilige Benedikt?« Der Abt
schnaubte. Er grub sich einen Daumen fest in die Brust. »Ihr wollt mir den
heiligen Benedikt vorhalten? Geht und seid ein Einsiedler wie Sankt Benedikt,
Nicolai. Es gibt genug Höhlen für Euch und Euren Dominikus. Und während Ihr in
der Ferne wie die Heiligen der Vergangenheit lebt, werden wir weiterhin danach
streben, die Heiligen der Zukunft zu sein.«
    Es war still im Raum, als der Abt tief
einatmete, um sich zu beruhigen, und die Stimme senkte. »Hier, Nicolai, gibt es
hungrige Münder, die wir füttern müssen. Es gibt Seelen, die wir retten müssen.
Die Bauern auf meinen Ländereien möchten eines Tages wissen, was Schönheit ist,
sie möchten einmal in ihrem Leben Gottes Herrlichkeit auf Erden sehen und hören
und schmecken, wie Ihr es jeden Tag Eures verschwendeten Lebens in dieser Abtei
getan habt. Ihr müsst wissen, Nicolai, dass ich nutzlose Mönche tolerieren
kann, wenn es sein muss. Wenn Dominikus Bücher lesen und übersetzen will, die
niemandem sonst etwas bedeuten, gut und schön. Wenn Ihr nur ein nutzloser Mönch
wäret, würde ich Euch einfach hier in dieser Zelle lassen, bis Ihr sterbt, und
dann würde ich sie mit einem Mönch füllen, der Gott von Nutzen sein kann.«
    »Abt, das kann nicht Euer …«
    »Doch.« Der Abt nickte kalt, als er
einen weiteren Schritt auf Nicolai zuging. »Und wenn Ihr mir noch einmal in die
Quere kommt, Nicolai, wenn Ihr das kleinste Anzeichen gebt, dass Ihr etwas
anderes seid als der nutzlose, altmodische Mönch, den ich zu tolerieren gewohnt
bin, werde ich sicherstellen, dass Euch kein Kloster in Europa mehr Einlass
gewährt.«
    Nicolais Mund stand offen. Er nickte
schwach. »Ja, Abt«, flüsterte er.
    Der Abt wischte sich die Stirn mit
einem Taschentuch. Er atmete tief durch, und dann senkte er seine riesige
Stirn, als wolle er sagen, er sei zufrieden mit dem Ausgang dieser Unterredung.
Er sah sich im Raum um. Seine Augen fielen auf das Aquarell von Venedig, das
auf dem Tisch aufgestellt war. Ohne es genauer zu betrachten, hob er es auf,
faltete es in der Mitte, strich den Falz mit dem Fingernagel glatt und zerriss
es in zwei Hälften. Nicolai zuckte bei dem Geräusch zusammen. Der Abt legte die
beiden Stücke Papier zurück auf den Tisch und sah Nicolai an. »Und jetzt holt
mir diesen Jungen«, sagte er.
    Es war ganz still. Dann flüsterte
Nicolai: »Ich kann nicht.«
    Ich hätte mich am liebsten in Klang
aufgelöst.
    »Dann werde ich ihn selber holen.«
    Schritte kamen auf den Schrank zu. Die
Tür öffnete sich, und der Stoff, unter dem ich lag, wurde in die Höhe gehoben.
Ich hielt die Augen geschlossen, aber ich hörte sein Atmen über mir. Finger
packten mich an den Haaren und ich schrie vor Schmerz auf, aber er zog einfach
nur fester, bis ich auf den Füßen neben Nicolais Bett stand.
    Nicolai stand in der Mitte des Raumes,
gebeugt, als trüge er einen Sack Kartoffeln auf den Schultern. »Es tut mir so
leid«, sagte er zu mir.
    »Ich vergebe Euch«, sagte der Abt.
»Für den Augenblick.«
    »Abt«, sagte Nicolai. Er machte einen
Schritt und streckte die Hand aus, als wolle er nach mir greifen. »Lasst mich
einen Platz für ihn finden. Ich finde einen Bauern. Ich werde …«
    Der Abt piekte einen Finger in
Nicolais Gesicht, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ihr werdet Eure Pflichten
erfüllen.« Noch einmal piekte sein Finger. »Ihr werdet das Unrecht bedenken,
das Ihr dieser Abtei getan habt. Ihr werdet diesen Jungen vergessen. Und ich,
ich werde ihn in eines meiner Waisenhäuser bringen und für ihn sorgen, wie ich
für die anderen hunderttausend Seelen sorge, für die ich verantwortlich bin. Er
wird weder eine Strafe noch einen Vorteil für das erhalten, was er heute getan
hat.«
    Der Abt umklammerte meinen Nacken mit
zwei festen Fingern und zog mich aus dem Raum. Ich begann zu weinen.
    Er schleifte mich die Treppe hinunter,
wobei er mich in seinem Zangengriff so in die Höhe hob, dass meine Füße die
Stufen nur streiften. »Wenn du meine Messe jemals wieder unterbrichst«,
flüsterte er mir ins Ohr, »schneide ich

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