Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
der Umzug war nun wirklich ein Klacks. Abgesehen von meinen persönlichen Sachen sollte der meiste Kram bei Lili bleiben, denn in Ludgers Wohnung waren alle Möbel und Haushaltsgegenstände natürlich schon vorhanden. Lediglich meine Nähmaschine und den alten Ohrensessel, den ich Jahre zuvor auf dem Sperrmüll ergattert und in liebevoller Kleinarbeit wieder hergerichtet hatte, nahm ich mit.
»Es ist keine Schande zuzugeben, dass man sich geirrt hat. Jeder macht mal einen Fehler«, gab Mareike zu bedenken.
»O. K., die Hochzeit war vielleicht ein wenig überstürzt. Aber schließlich liebe ich Ludger … irgendwie. Überleg mal, was er alles für mich getan hat.« Ich umklammerte den Wohnungsschlüssel, den Ludger mir am Vorabend überreicht hatte, so fest, dass sich die Spitze schmerzhaft in meine Hand bohrte. »Er hat Jil verlassen. Und ein Zerwürfnis mit seinen Eltern riskiert. Wer weiß, vielleicht werden sie ihn sogar enterben, wenn sie von unserer Hochzeit erfahren.«
Obwohl Mareike all diese Argumente nicht akzeptieren wollte, ließ ich mich nicht beirren. Ich gab lediglich eine unmöglich geschnittene Wohnung und eine chaotische Mitbewohnerin auf, Ludger hatte viel mehr aufs Spiel gesetzt. Außerdem hatte der Umzug den Vorteil, dass ich Philipp nicht mehr ständig über den Weg lief. Das war doch auch schon was.
Als ich mein neues Domizil bezog, war Ludger noch in der Kanzlei. Nachdem ich meine Klamotten in den Schubladen und Fächern verstaut hatte, die er für mich leer geräumt hatte, suchte ich nach einem geeigneten Ort für meinen Ohrensessel. Schließlich platzierte ich ihn unter dem großen Wohnzimmerfenster. Ich träumte davon, in meinem Sessel zu sitzen, zu lesen und dabei die warmen Sonnenstrahlen im Gesicht zu spüren. Bestimmt war es in Ludgers Sinne, den Sessel dort aufzustellen. Platz gab es ja im Überfluss.
Bei seiner Heimkehr kommentierte Ludger das neue Möbelstück mit keinem Wort – trotzdem schien es ihn irgendwie zu beschäftigen. Als wir nach dem Besuch eines marokkanischen Restaurants im Wohnzimmer noch einen Absacker tranken, wanderte sein Blick immer wieder in Richtung des Ohrensessels.
»Ist was?«, fragte ich aggressiv.
»Nein, nein, was soll sein?«
»Du guckst so komisch.«
»Ich muss mich erst an diesen Anblick gewöhnen.«
»Gefällt dir mein Ohrensessel nicht?«
»Er ist wirklich sehr originell«, versicherte Ludger schnell. »Und so schön bunt.« Schweigen. Und dann: »Allerdings finde ich, dass er mit den anderen Möbeln nicht richtig harmoniert. Was meinst du?«
Ich meinte, dass es ein Fehler gewesen war, bei Ludger einzuziehen! Ich kam mir selbst vor wie ein Ohrensessel. Wie ein Fremdkörper, der einfach nicht dorthin gehörte. Nach einer kurzen Diskussion gab ich mich geschlagen und ließ es zu, dass Ludger den Sessel in die Abstellkammer verfrachtete, wo bereits meine Nähmaschine stand. Streng genommen handelte es sich nicht um eine Kammer, sondern um einen Raum, der mindestens genauso groß war wie das Zimmer, in dem ich bei mir zu Hause geschlafen hatte.
Zu Hause – wehmütig dachte ich an meine Wohnung, die Lili vermutlich längst in ein Schlachtfeld verwandelt hatte. Doch in der sterilen Atmosphäre von Ludgers Wohnung sehnte ich mich geradezu nach ein bisschen Dreck und Unordnung. Im Haushalt musste ich keinen Finger rühren. Das übernahm alles Ludgers Perle. Aber anstatt diesen Luxus zu genießen, verstärkte die Untätigkeit bei mir den Eindruck, nur Gast zu sein.
Es war normal, dass ich mich in der neuen, ungewohnten Umgebung nicht auf Anhieb heimisch fühlte, versuchte ich mir selbst Mut zu machen. Ich musste mich erst noch einleben. Das brauchte eben seine Zeit. In ein paar Tagen würde die Welt schon wieder ganz anders aussehen!
Doch am zweiten Tag wurde es nicht besser, am dritten auch nicht, und am vierten passierte schließlich das, was nie hätte passieren dürfen. Um mich über das Heimweh hinwegzutrösten, hatte ich mir Kakao gekocht – seit meiner Kindheit ein bewährtes Allheilmittel – und es mir mit der Tasse auf dem Sofa gemütlich gemacht. Ich brütete so vor mich hin, über das Leben im Allgemeinen und meines im Speziellen, da begann auf einmal der Feuermelder in der Küche durchdringend zu fiepsen. Ich hatte den Topf auf der heißen Herdplatte stehen lassen! Offenbar war die restliche Milch nun angebrannt, es qualmte jedenfalls ganz fürchterlich.
Hektisch sprang ich auf – und wusste im gleichen Moment, dass das ein
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