Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
zurückzudrehen. Leider. Dennoch hatte es gutgetan, mit ihr zu reden. »Ich hau jetzt ab.« Beim Aufstehen legte ich ein paar Geldmünzen auf den Tisch.
»Soll ich dich nach Hause begleiten?«
»Danke für das Angebot, aber da muss ich jetzt allein durch. Bestimmt wundert sich Lili schon, wo ich mich rumtreibe.«
»Sag einfach, du hättest die Zeitung geholt.« Hilfsbereit faltete unser Tischnachbar seine Rheinische Post zusammen und schob sie mir zu. »Deine Freundin hat übrigens völlig Recht. Ich würde den Vorfall auch nicht unnötig dramatisieren. Damit ist niemandem geholfen. Vergiss den Abend am besten.«
Doch das war leichter gesagt als getan! Als ich mit einer Tüte frischer Brötchen, die ich unterwegs gekauft hatte, zu Hause ankam, stand Lili gerade unter der Dusche. Um mich abzulenken, breitete ich die Zeitung auf dem Küchentisch aus. Unkonzentriert überflog ich die Schlagzeilen. Krieg. Gewalt. Verbrechen. Wie schrecklich! Gab es denn überhaupt nichts Erfreuliches zu berichten? Aber ich war sowieso nicht richtig bei der Sache. Meine Gedanken kreisten unaufhörlich um den vergangenen Abend. Wie hatte es nur so weit kommen können?
Ein dumpfes Surren riss mich plötzlich aus meinen Grübeleien. Ich zuckte zusammen. Verdammt, sonst war ich doch auch nicht so schreckhaft! Sogar die Zeitung, die ich in den Händen hielt, hatte zu zittern begonnen. Das lag wohl an meinem schlechten Gewissen. Oder an dem Vibrationsalarm des Handys, das ich unter der Zeitung begraben hatte.
Mechanisch drückte ich ein paar Tasten und hatte kurz darauf eine SMS auf dem Display: Ich denke nur noch an dich. P.
Auch mein Körper reagierte auf Knopfdruck: Gegen meinen Willen und gegen jede Vernunft wallte heiße Freude in mir auf.
»Guten Morgen!«
Ertappt fuhr ich zusammen.
Lili kam wie ein Stehaufmännchen frisch geduscht und bester Laune in die Küche gehopst. Ihr Handtuch hatte sie sich wie einen Turban um den Kopf geschlungen.
»Morgen.« So unauffällig wie möglich schaltete ich das Handy aus und schob es unter die Zeitung.
»Ah, frische Brötchen! Herrlich! Lässt unsere Haushaltskasse so einen Luxus denn überhaupt zu?« Lili griff nach ihrer Tasse und der Kaffeekanne. »Apropos Haushaltskasse: Hast du mein Portemonnaie gesehen?«
»Nein«, antwortete ich einsilbig, ohne dabei den Blick von der Zeitung zu heben.
»Und mein Handy?«
Ich seufzte. »Mensch, Lili, wenn du dein Zeug …«
»Aber ich hätte schwören können, dass ich mein Portemonnaie und mein Handy vor dem Schlafengehen auf den Küchentisch gelegt habe«, beharrte Lili hartnäckig. »So besoffen war ich nun auch wieder nicht.«
Ich hob die Zeitung, damit Lili sich selbst davon überzeugen konnte, dass sie die beiden gesuchten Objekte woanders deponiert haben musste.
»O. K., ich bin ein Schussel. Weiß der Geier, was ich mit meinem Portemonnaie angestellt habe. Aber wenigstens das Handy ist da.« Lili wollte nach meinem Mobiltelefon grapschen.
Ich gab ihr einen Klaps auf die Finger. »Pfoten weg! Das ist meins.«
»Und was ist das?« Lili wies auf einen Kratzer am Display. Die Folge einer Begegnung mit dem Straßenpflaster. Meine Schwester hatte Recht: Das war eindeutig ihr Handy!
Lili und ich hatten die kleinen Mobiltelefone zwei Jahre zuvor zu Weihnachten geschenkt bekommen. Das Christkind, oder vielmehr unsere Eltern, hatten offenbar Mengenrabatt erhalten: der gleiche Hersteller, die gleiche Farbe, das gleiche Modell. Damals hatten wir noch Späße darüber gemacht, was passieren würde, wenn wir die Handys mal aus Versehen vertauschen würden. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ja auch kein Mensch ahnen können, dass Lili und ich uns eines Tages die Wohnung teilen würden. Und um ein Haar auch noch den Liebhaber …
Die SMS war in Wirklichkeit gar nicht für mich, sondern für Lili bestimmt gewesen! Mareike hatte Philipp Unrecht getan. Wahrscheinlich, so dachte ich, quälen ihn die gleichen Gewissensbisse wie mich. Darum hatte er Lili nach dem Aufstehen als Erstes eine Nachricht geschrieben.
Ich schluckte und schluckte. Aber der Kloß in meinem Hals ließ sich auch mit Kaffee nicht hinunterspülen.
Während wir gemeinsam den Frühstückstisch deckten, vermied ich es, meiner Schwester in die Augen zu schauen.
»Warum bist du eigentlich so schlecht gelaunt?«, fragte Lili lauernd, als ich ihr ungeduldig die Teller entriss, die sie gerade erst aus dem Küchenschrank genommen hatte.
»Ich bin nicht schlecht gelaunt«, raunzte ich sie
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