Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
nur davon überzeugen, dass seine Stimmbänder noch funktionierten. »Sie sind wirklich zu beneiden. Glauben Sie mir, die Juristerei ist mitunter ziemlich trocken. Tagaus, tagein schlägt man sich mit komplizierten Paragrafen, quengeligen Mandanten und meterhohen Aktenbergen herum. Eines Tages werde ich an meinem Schreibtisch sterben – vor lauter Überdruss und Langeweile. Die bunte, schillernde Modewelt stelle ich mir dagegen ziemlich aufregend vor.«
Sapperlot, wer hätte gedacht, dass Ludgers Vater so aus sich herausgehen konnte?
»Mein Gott, Eugen. Was redest du bloß manchmal für ein dummes Zeug«, verpasste seine bessere Hälfte ihm prompt einen Dämpfer. »Gleich verkündest du uns womöglich noch, dass du es bereust, nicht Astronaut oder Feuerwehrmann geworden zu sein. Aber erzählen Sie doch mal«, forderte sie mich auf, »was genau machen Sie denn in der Modebranche?«
Kurz zuvor hatte ich im Schaufenster einer Boutique ein Schild mit der Aufschrift MODEBERATERIN GESUCHT entdeckt. Aber warum sollte ich um den heißen Brei herumreden? Ich sah Frau vom Hagen fest in die Augen. »Ich bin Verkäuferin.«
Ludgers Mutter zog ein Gesicht, als wäre sie aus Versehen in etwas Weiches getreten. »Sie sind Verkäuferin?« Ihrem Tonfall nach zu urteilen war das etwas furchtbar Anstößiges.
Ludger, der den Schlagabtausch mit sorgenvoll gerunzelter Stirn mitverfolgt hatte, räusperte sich. »In ihrer Freizeit entwirft Belinda auch eigene Kleidungsstücke, Mutter.«
»Ach ja?« Angelegentlich musterte mich Frau vom Hagen von oben bis unten. »Bluejeans?«
Ich kam mir vor wie Aschenputtel. Einziger Unterschied: Statt mit einer bösen Stiefmutter musste ich mich mit einer bösen Schwiegermutter herumschlagen. Und das war auch nicht besonders angenehm.
»Möchte noch jemand Kaffee?«, säuselte Frau vom Hagen, plötzlich wieder ganz die zuvorkommende Gastgeberin.
»Nein, danke.« Von dieser Frau wollte ich allenfalls noch eine Entschuldigung annehmen! Und Kaffee war nun wirklich das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte. Mein Blutdruck kletterte ohnehin schon wie eine Bergziege in Schwindel erregenden Höhen herum.
Nachdem sie Sohn und Mann noch einmal nachgeschenkt hatte, nahm Ludgers Mutter nach dieser kleinen Unterbrechung das Kreuzverhör wieder auf. Sie löcherte mich wie einen Schweizer Käse. Die Fragen nach meiner Schulbildung, nach Lili und dem Beruf meiner Eltern beantwortete ich noch brav. Als sie danach aber immer noch keine Ruhe gab und wissen wollte, wie ich zu Kindern stünde, platzte mir der Kragen. »Ja, ich möchte irgendwann Kinder haben. Mindestens zwei, um Ihrer nächsten Frage gleich zuvorzukommen. Ich bin Nichtraucherin, HIV-negativ und in meiner Familie gibt es, soweit ich weiß, keine schlimmen Erbkrankheiten. Ich habe weder Schulden noch Vorstrafen. Aber falls Sie es wünschen, reiche ich in den nächsten Tagen gerne ein polizeiliches Führungszeugnis nach.«
»Hat sie nicht einen wunderbaren Humor?«, versuchte Ludger, die Situation zu retten. Vergeblich. Die Stimmung war so frostig, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn sich kleine Eiskristalle an den Fensterscheiben gebildet hätten.
Zu allem Überfluss verkrümelte Ludgers Vater sich wenig später mit einer Zigarre in den Garten. Ludger, der, wie er sagte, noch etwas Geschäftliches mit seinem alten Herrn zu besprechen habe, folgte ihm auf den Fuß. »Entschuldigst du mich bitte einen Moment?«
Er wollte mich doch wohl nicht mit diesem Drachen allein lassen?! Er wollte nicht nur, er hatte bereits. Nachdem Ludger in den Garten gegangen war, breitete sich ein feindseliges Schweigen im Raum aus.
Rasch, rasch, ein unverfängliches Smalltalk-Thema musste her! Ich suchte nach Hinweisen, die Aufschluss über etwaige Hobbys oder Interessen des Ehepaars vom Hagen geben konnten. Fachsimpelei über Antiquitäten fiel flach. Damit, das war mir klar, schoss ich mir nur selbst ins Knie. Mein Blick blieb am Kaminsims hängen. Dort war eine kleine Bildergalerie aufgebaut, die von den Pampers bis zur Anwaltsrobe eindrucksvoll Ludgers Werdegang dokumentierte. Ein Foto, auf dem Ludger und Jil in trauter Harmonie vor einem blühenden Fliederbusch posierten, musste jüngeren Datums sein. Das Verlobungsfoto? Kein guter Aufhänger für ein Gespräch, entschied ich.
Die Stille wurde immer beklemmender. Als die angespannte Atmosphäre kaum noch zu ertragen war, wies ich auf ein Bild, das Ludger als Dreikäsehoch zeigte. »Was für ein süßer
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