Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Jil erinnert zu werden. Sie spukte ohnehin viel zu oft durch meinen Kopf. Seit ihrem Auftritt in Ludgers Wohnung quälten mich Zweifel, die ich einfach nicht mehr loswurde.
»Vielleicht haben die beiden ja tatsächlich bloß eine Trennung auf Zeit vereinbart«, schüttete ich Mareike beim Joggen mein Herz aus.
»Hast du Ludger darauf angesprochen?«
»Ja sicher, wir reden kaum noch über was anderes. Aber er behauptet steif und fest, dass die Sache mit Jil aus sei. Und zwar endgültig. Sie habe es nur darauf angelegt, mich zu verunsichern.«
»Sag ich doch. Und jetzt hör endlich auf, dich verrückt zu machen.«
Ich seufzte. »Die Frau wartet doch nur auf eine Gelegenheit, um sich Ludger wieder unter den Nagel zu reißen.«
»Na und? Soll sie warten, bis sie schwarz wird. Ist doch nicht dein Problem. Schließlich ist Ludger jetzt mit dir zusammen.«
»Aber was, wenn sie wirklich Recht hat? Wenn ich für Ludger nicht mehr bin als eine nette kleine Abwechslung für zwischendurch?«
»Hallo, jemand zu Hause?« Ohne das Tempo zu drosseln, klopfte Mareike während des Laufens vor meine Stirn. »Wenn du für ihn nur ein netter kleiner Zeitvertreib wärst, würde er dich wohl kaum seinen Eltern vorstellen.«
»Das ist auch so ’ne Sache. Findest du es nicht ein bisschen zu früh dafür? Irgendwie hab ich das Gefühl, dass er nach dem Hickhack der letzten Wochen mit der Brechstange versucht zu beweisen, dass es ihm ernst mit mir ist.«
Mareike rollte die Augen zum Himmel. »Dir kann man es aber auch wirklich nicht recht machen. Mensch, freu dich doch einfach, und wittere nicht überall Probleme, wo keine sind.« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wann sagtest du, soll das Treffen stattfinden?«
»Nächsten Sonntag. Ein ›ungezwungenes Kaffeetrinken‹.«
Als wir in die kiesbestreute Zufahrt zum Haus von Ludgers Eltern einbogen, beschlich mich eine leise Vorahnung, dass das Kaffeetrinken womöglich doch nicht ganz so ungezwungen verlaufen würde, wie angekündigt. Nach einem scharfen Rechtsknick gaben die Bäume den Blick auf ein lang gestrecktes, villenartiges Anwesen frei, das Marilyn Monroe oder John F. Kennedy alle Ehre gemacht hätte. Für meinen Geschmack wirkte das Ganze eine Spur zu pompös und unpersönlich. Ein pausbäckiger Gartenzwerg mit Zipfelmütze und Schubkarre hätte in dieser Umgebung wahre Wunder vollbracht. Nicht, dass ich eine besondere Vorliebe für Gartenzwerge gehegt hätte, aber zumindest strahlten sie eine gewisse Bodenständigkeit aus, die ich hier schmerzlich vermisste.
Nichts, aber auch wirklich gar nichts, hatte man in diesem Retortenparadies dem Zufall überlassen. Die üppigen Rhododendronbüsche mussten mit dem Zentimetermaß gepflanzt worden sein – exakt ein Meter fünfundzwanzig Abstand schätzte ich als Laie mit ungeübtem Auge. Sorgfältig abgezirkelte Rasenflächen ließen mich unwillkürlich nach dem Hinweis BETRETEN VERBOTEN Ausschau halten. Auch wenn ich so ein Verbotsschild nirgendwo entdecken konnte, so war eins sicher: Ein Gänseblümchen hatte im Garten von Ludgers Eltern geringere Überlebenschancen als auf dem heiligen Rasen von Wimbledon.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stieg ich aus dem Auto. Schnell noch ein verkrampftes Lächeln für die Überwachungskamera, die über der Eingangstür hing – und dann nichts wie rein in die gute Stube!
Als ich der Dame des Hauses kurz darauf gegenüberstand, wusste ich sofort, wem Ludger sein gutes Aussehen zu verdanken hatte. Seine Mutter war eine ausgesprochen attraktive Frau, die ihre Vorzüge gekonnt in Szene setzte. Ihr Kleid war an Eleganz kaum zu überbieten. Ich hingegen hatte mich bewusst nicht so schick gemacht, um diesen »Antrittsbesuch« nicht noch unnötig hochzustilisieren. Doch jetzt kam ich mir in Jeans und Blazer reichlich fehl am Platz vor.
Anstelle einer Begrüßung warf Frau vom Hagen einen vorwurfsvollen Blick auf ihre goldene Armbanduhr. »Ihr seid spät.« Was für ein reizender Empfang! Um sie milde zu stimmen, zückte ich schnell den mitgebrachten Blumenstrauß.
»Mutter – das ist Belinda. Belinda, das ist meine Mutter«, stellte Ludger uns einander vor.
Während Frau vom Hagen mir die Hand reichte, unterzog sie mich einer kritischen Musterung. Jeder Pickel und jedes Fältchen wurde genauestens unter die Lupe genommen. »Angenehm«, war das Einzige, wozu sie sich nach eingehender Prüfung herabließ. Und selbst das war vermutlich noch eine faustdicke Lüge.
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