Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Bengel. Diese großen blauen Augen. Und wie er grinst – so, als hätte er den Schalk im Nacken. Sicher hat Ludger früher jede Menge Unfug angestellt, oder?«
Frau vom Hagen quittierte meine Frage mit einem wohltemperierten Lächeln. Das Eis schien zu schmelzen. Na bitte, ging doch! Warum nicht gleich so?
In Erwartung lustiger Lausbubengeschichten ließ ich mich in meinen Stuhl zurücksinken.
»Nun«, begann Frau vom Hagen im harmlosen Plauderton, »alle Kinder haben Flausen im Kopf, die einen früher, die anderen später. Aber in solchen Fällen ist es die Aufgabe der Eltern, Mittel und Wege zu finden, um zu verhindern, dass die Kinder Dummheiten machen oder in ihr Unglück rennen. Nicht wahr?«
Der Blick, den sie mir dabei zuwarf, signalisierte deutlich, dass ich die Dummheit war, vor der sie ihren Sohn bewahren wollte. Besten Dank, die Kriegserklärung war angekommen. Die Fronten waren geklärt. Ludgers Mutter machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung – die ich im Übrigen auf das Herzlichste erwiderte.
Bevor ich irgendetwas sagen konnte, was ich später bereuen würde, nahm ich erst einmal eine kleine Auszeit. Ich täuschte ein menschliches Bedürfnis vor und verschanzte mich auf dem Gäste-WC. Dort verbrachte ich die nächste halbe Stunde damit, die Keramikfliesen zu zählen. Irgendwie hatte ich mir den Nachmittag anders vorgestellt. Unterhaltsamer. Als ich aus lauter Langeweile gerade damit beginnen wollte, Hüpfekästchen zu spielen, pochte Ludger von draußen gegen die Toilettentür. »Belinda, bist du noch da drinnen?«, fragte er besorgt. »Ist dir der Kuchen nicht bekommen?«
Die Sahnetorte war mir nicht auf den Magen geschlagen, wohl aber seine Mutter. Ich war heilfroh, als wir endlich wieder im Auto saßen und gen Heimat düsten.
»Sorry, ich hätte dich vorwarnen müssen.« Ludger legte seine Hand auf mein Knie. »Meine Mutter ist manchmal etwas anstrengend. Du wirst dich schon noch an ihre Art gewöhnen.«
»An Hühneraugen gewöhnt man sich leichter.«
»Sie meint es nicht böse.«
»Hast du ihren Blick gesehen, als sie erfahren hat, dass ich Verkäuferin bin?! Sie hat mich angestarrt wie … wie eine eklige, fette Raupe, die sich in ihren Salat verirrt hat.«
»Es liegt nicht an deinem Beruf«, versuchte Ludger mich zu trösten. »Es liegt an dir.«
»Danke, das beruhigt mich ungemein.«
»Nein, nein, versteh mich jetzt bitte nicht falsch. Du trittst ein schweres Erbe an. In den Augen meiner Mutter war Jil die perfekte Schwiegertochter. Gib ihr etwas Zeit, um über Jil hinwegzukommen.«
Er tat geradeso, als hätte seine Ex ins Gras gebissen, dabei spazierte sie nur in albernen karierten Hosen darauf herum und schubste kleine weiße Bälle in ebenso kleine Löcher.
»So, und jetzt vergiss meine Mutter. Ich hab nämlich eine Überraschung für dich!« Ludger fuhr rechts ran und stellte den Motor ab. »Schließ die Augen.«
»Aber …«
»Machst du jetzt wohl die Augen zu!«
Ich gehorchte. Widerwillig. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass der Tag nach so einem verkorksten Nachmittag noch mal die Kurve kriegen und etwas Angenehmes zu bieten haben würde.
Kurz darauf gab Ludger mir das Signal, dass ich wieder gucken durfte. »Tatatataaa!« Er wedelte mit zwei Flugtickets vor meinem Gesicht herum. »Du hast doch bald Urlaub, da dachte ich, es wäre schön, wenn wir zusammen verreisen würden. Zwei Wochen Amerika. San Francisco, Los Angeles, Las Vegas – na, was sagst du dazu?«
Gar nichts. Mir fehlten einfach die Worte. Wenn es so etwas wie den perfekten Moment für einen Ohnmachtsanfall gab, dann war er soeben ungenutzt verstrichen.
Ludger strahlte wie ein Kronleuchter. »Du bist sprachlos vor Freude. Stimmt’s?«
»Das kann ich nicht annehmen«, stammelte ich.
»Natürlich kannst du. Du musst sogar. Sonst ist die Lufthansa womöglich noch beleidigt. Die zahlt nämlich dein Flugticket. Alles Gratismeilen aus dem Vielfliegerprogramm. Und was die Hotelkosten betrifft – einen Teil übernimmt die Kanzlei. Wir betreuen nämlich einen Mandanten, der vor ein paar Wochen eine Niederlassung in Los Angeles gegründet hat. Ich muss mich da nur mal kurz für ein Meeting ein paar Stündchen sehen lassen, die restliche Zeit gehöre ich ganz dir.«
»Also, ich weiß nicht …« Natürlich war die Vorstellung verlockend, einfach mit Ludger in den Flieger zu steigen, um die halbe Welt zu jetten und alle Probleme ganz, ganz weit hinter mir zu lassen. Als da wären: Lili, der ich
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