Der Kater läßt das Mausen nicht
stolz
getragen hatte, befand sich zwar immer noch an ihrem Hals, hatte sich
allerdings tief ins Fleisch gefressen und war sorgfältig verknotet, so daß er
nicht aufgehen konnte. Jemand hatte offenbar völlig sichergehen wollen, daß sie
auch wirklich starb.
»Genauso habe ich sie hier gefunden.«
Alonzo Bulfinch klang inzwischen nicht mehr besonders munter. »Angefaßt habe
ich überhaupt nichts, ich habe nur mit dem Walkie-talkie Bescheid gesagt und
gewartet, bis mein Kollege kam.«
»Das war auch genau das Richtige«,
sagte Clarence Lomax, obwohl keiner auch nur angedeutet hatte, daß dies nicht
der Fall gewesen war. »Wo ihr jetzt schon mal hier seid, Leute, kann ich ja
ruhig wieder ins Büro gehen und Silvester helfen.«
Niemand versuchte, ihn aufzuhalten.
Alle waren viel zu sehr mit dem beschäftigt, was vor ihnen auf dem Boden lag.
Shandy schüttelte den Kopf.
»Wenn man sie hier so liegen sieht,
könnte man fast annehmen, daß Harry Goulson sie umgebracht hat.«
Während der letzten Monate hatte er es
mit einer erstaunlichen Anzahl von Leichen zu tun gehabt, aber Ruth Smuths war
die ordentlichste, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Wenn man einmal von
ihrem schrecklich angeschwollenen Gesicht und der herausgestreckten Zunge
absah, hätte man beinahe annehmen können, sie würde sich nur auf dem Weg zu
einem ihrer Komiteetreffen kurz ausruhen. Ihr roter Mantel war über den Knien
glatt gestrichen und immer noch sorgfältig zugeknöpft. Soweit Shandy bei dem
ziemlich hellen Licht der Stablampe, die Bulfinch in der Hand hielt, sehen
konnte, hatte sie nicht einmal eine Laufmasche im Strumpf.
Die weißen Handschuhe, die sie bei der
Demonstration getragen hatte, befanden sich noch an ihren Händen, und sie waren
immer noch verhältnismäßig sauber. Auch ihr Haar war noch tadellos in Ordnung.
Nach Diebstahl oder Vergewaltigung sah dieser Fall nicht aus. Mehr schon nach
einem sauberen professionellen Mord, und Shandy hatte das schreckliche Gefühl,
daß er damit den Nagel genau auf den Kopf traf.
Oder vielleicht doch nicht? Als er auf
die Leiche herunterblickte, drängte sich ihm ungewollt ein anderes Bild auf,
nämlich wie Thorkjeld Svenson das dicke Telefonbuch mit bloßen Händen
zusammengedreht und in zwei Stücke gerissen hatte. Quod erat absurdum.
Thorkjeld Svenson würde niemals eine Frau erwürgen. Er würde überhaupt
niemanden erwürgen. Schon gar nicht von hinten. Schon gar nicht kaltblütig, und
der Schal war immerhin höchst ordentlich verknotet. Svenson hätte sich die Mühe
mit dem Schal erst gar nicht gemacht, und der Knoten paßte erst recht nicht zu
ihm. Er war vielmehr ein Kämpfer, der mit bloßen Händen angriff.
Aber einmal angenommen, der Präsident
sei Ruth Smuth zufällig begegnet, als sie hier über den Campus ging, wo sie
überhaupt nichts zu suchen hatte, schon gar nicht um diese Zeit. Vielleicht
hatte er sie angebrüllt, was ziemlich typisch für ihn wäre. Angenommen, sie
hätte es mit der Angst zu tun bekommen, wozu sie auch verdammt gute Gründe
gehabt hätte. Angenommen, sie hätte sich auf dem Absatz umgedreht und wäre
davongerannt und Svenson hätte sie am Schal zu packen bekommen und
festgehalten. Angenommen, Peter Shandy hörte jetzt endlich mit seinen
Verdächtigungen auf. Svenson hätte sie nie so ordentlich hingelegt, wenn er sie
im Affekt erwürgt hätte. Er war kein sehr ordentlicher Mann, was ihm von
Sieglinde bereits häufig vorgeworfen worden war.
Ordentlichkeit. Immer wieder tauchte
dieses Merkmal auf. Shandy dachte an Ungley, der so ordentlich an der Egge
gelegen und den Hut noch in der Hand gehalten hatte, und an die Wohnung des
alten Herrn, die so sorgfältig durchsucht worden war. Es gab keinen
spezifischen Grund anzunehmen, daß Ungleys Tod irgend etwas mit Mrs. Smuth zu
tun hatte. Außer vielleicht, daß es in Balaclava Junction nicht üblich war, daß
innerhalb einer derartig kurzen Zeitspanne und derart nahe beieinander zwei Menschen
ermordet aufgefunden wurden.
Und es gab auch eine Art Beziehung
zwischen ihnen, wenn man die Sache genauer betrachtete. Leider nicht nur eine.
Zuerst war da der Abgeordnete Sill. Er hatte mit beiden in Verbindung
gestanden, bevor sie starben, wenn auch in ganz unterschiedlicher Weise. Das
war die gute Gemeinsamkeit. Die schlechte war das College. Ungley war ein
Fakultätsmitglied gewesen, er hatte immer noch in der Mensa seine Mahlzeiten
eingenommen und seine mehr als großzügige Rente bezogen, was Svenson so
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