Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
wie seine wertvollen Platten an das gemeine Volk verscherbelt wurden.
Ich nickte Sammy zu. Er nickte zurück.
Die ersten paar Lose, amerikanische Scheiben aus den Dreißigern und Vierzigern, ignorierte ich. Ich ersteigerte ein paar Motown-Alben aus den Sechzigern und eine Erstpressung in Bestzustand von Dusty in Memphis für ein Pfund, eine absolute Sünde.
Erst als wir zur klassischen Musik kamen, bemerkte ich unseren alten Freund Freddie Scavanni im Publikum. Ich sah zu, wie er bot und kaufte. Zunächst hielt er sich zurück, doch schließlich verlor er die Geduld und stürzte sich wie alle anderen auf die Scheiben, die er wollte. Ich überließ Sammy den Mozart und bot auf Schubert.
Ich kaufte auch ein wenig Krimskrams: ein paar Antistatiktücher, eine Öllampe von Chess Records in der Form einer Gitarre, Beatles-Anspitzer. Nichts davon war sonderlich interessant, und ich konnte sehen, dass Laura sich zu Tode langweilte. Ich hatte etwa zehn Pfund ausgegeben, hatte aber schon so viele Platten, dass ich sie kaum nach Hause tragen konnte.
»Sollen wir gehen?«, fragte ich sie.
Laura nickte.
Ich ging zum Assistenten des Auktionators und holte meine Scheiben ab. Dusty in Memphis stellte sich als die Nummer elf einer von Dusty Springfield und Jerry Wexler signierten limitieren Ausgabe heraus. Schon des Karmas wegen konnte ich sie auf keinen Fall behalten. »Laura, hier, die ist für dich«, sagte ich und gab sie ihr.
Als wir gingen, sah ich noch, wie ein kleiner Kampf zwischen Freddie Scavanni und Sammy ausgebrochen war. Beide steigerten sie auf einen Live-Mitschnitt von Richard Strauss’ Ariadne auf Naxos mit Karl Böhm und dem Orchester der Wiener Staatsoper am 11. Juni 1944 in Anwesenheit zahlreicher Nazigrößen zu Ehren von Strauss’ 80. Geburtstag. Es handelte sich um eine wirklich seltene Schallplatte, aber die Gebote stiegen nur in Zwanzig-Pence-Schritten und standen gerade bei zwei Pfund sechzig. Ich war angewidert, und Paul tat mir leid. Ich ging mit Laura hinaus.
»Kommst du mit zu mir auf einen Tee?«, fragte sie.
Das war eine gute Idee. Ich konnte die Platten bei ihr lassen und sie später mit dem Wagen abholen. Wir gingen in ihre Wohnung, und sie setzte Wasser auf. Seit jener Nacht war ich nicht mehr dort gewesen. Es hatte sich nichts verändert. Nur spirituell. Emotional.
Ich setzte mich in den Sessel und sah auf den Hafen hinaus.
»Vielen Dank für die Platte«, sagte Laura.
»Gern geschehen.«
»Die habe ich noch nie gehört.«
»Sie wird dir gefallen.«
»Warum legst du sie nicht auf?«
Ich ging zum Plattenspieler, putzte die Scheibe mit einem meiner neuen Antistatiktücher und legte die Rückseite auf, die mit Randy Newmans »Just one Smile« anfängt.
»Du solltest die Platte vielleicht nicht allzu oft abspielen,sie ist sehr wertvoll«, sagte ich zu Laura, als Dustys rauchige Stimme bei diesem eigentlich nicht so tollen Stück mit den schweren Streichern kämpfte.
»Wie hättest du noch mal gern deinen Tee?«, fragte Laura.
Ich antwortete nicht darauf. Plötzlich überkam es mich. Richard Strauss. Ariadne auf Naxos . Nachdem sie den Minotaurus im Labyrinth getötet haben, wird Ariadne von Theseus auf Naxos ausgesetzt; sie beweint ihr Schicksal, trauert um ihre verlorene Liebe und wünscht sich den Tod. Drei Nymphen, Najade, Dryade und Echo, verkünden dann die Ankunft eines Fremden auf der Insel. Ariadne hält ihn für den Boten des Todes, doch in Wahrheit handelt es sich um Bacchus. Er verliebt sich in Ariadne und verspricht ihr, sie als Sternbild an den Himmel zu setzen.
Ich dachte an den Mörder und sein Gerede von Labyrinthen. Und nun bot Freddie Scavanni auf Richard Strauss mit. Ein Zufall? Freddie war kein Dummkopf, aber langsam waren das eine Menge Zufälle, bei Gott.
Ich stand auf. »Ich muss noch mal zur Auktion. Dauert nicht lang«, rief ich. Dann rannte ich über den Hafenparkplatz zum Rathaus hinüber.
Die Auktion war vorbei. Freddie bekam Hilfe bei seinen Einkäufen. Er lud Kiste um Kiste in einen Ford Transit. Selbst samstags trug er Anzug und Krawatte. Ein recht netter blauer Kaschmiranzug. Eine wirklich hübsche Seidenkrawatte
»Hallo Freddie«, sagte ich.
Er drückte die Augen zusammen, als müsse er erst nachdenken, wer ich wohl war.
»Sergeant Duffy, Carrick CID«, klärte ich ihn auf.
»Ach ja, natürlich. Ich treffe so viele Menschen, wie Sie sich ja denken können.«
»Und, haben Sie den Richard Strauss gekriegt?«, fragte ich.
»Nein, ich wurde
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