Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
blauen Farbmuster auf meinen Schreibtisch aus.
Yves-Klein-Blau, Saphirblau. Lapislazuli. Mitternachtsblau. Columbia-Blau. Indigo. Ich zündete mir eine Zigarette an, badete in blau, ging auf einen Trip in blau.
So saß ich eine Weile da, dann wischte ich die Musterkarten vom Tisch in den Papierkorb. Ich tippte meinen Bericht und erwähnte, dass ich Shane bis zu einer öffentlichen Toilette gefolgt sei, wo höchstwahrscheinlich »homosexuelle Handlungen« vorgenommen worden seien.
Der Bericht war neun Seiten lang. Ich zeigte ihn McCrabban, der ihn in Ordnung fand. Sergeant McCallister las einen deutlich sarkastischen Ton heraus, auf den ich vielleicht besser verzichten sollte, meinte er.
Ich faxte den Bericht so wie er war. Zu Mittag sah ich Todd in den Irland-Nachrichten auf BBC, was mehr war, als ich jemals erreicht hatte – vielleicht hatten die Mächtigen recht damit gehabt, mich zu feuern.
»Sein Dad ist ein Viscount«, erklärte mir Sergeant Burke bei Würstchen und Kartoffelbrei im Royal Oak. »Er hat drei ältere Brüder, und wenn sie alle sterben und er überlebt, wird er der nächste Lord Todd of Ballynure.«
»Das sähe dem Arsch ähnlich«, murmelte ich.
Nach dem Essen ging ich zum Friseur. Alles, um nur ja nicht an dieser Bankgeschichte arbeiten zu müssen. Nach einer Mordermittlung ist alles andere öde.
Carrick war das reinste Chaos. Zwei neue »ZU VERMIETEN«-Schilder hingen in leeren Schaufenstern, drei Geschäfte waren ganz vernagelt worden, und im Fenster der Bücherei hing ein Schild mit der Aufschrift: »Buchverkauf! Neu, alt, Literatur und Sachbuch!«, was nichts Gutes verhieß.
Auf der West Street standen zwei miteinander konkurrierende Straßenprediger; der eine verkündete: »Bereut, denn das Millennium ist bald da, und ihr seid verdammt!«, der andere wiederum spürte, dass es Zeit sei zur Freude, »denn Jesus starb, damit wir leben können!«.
Sammys Laden brummte, wie immer. Freitagnachmittag war Stoßzeit. Die Männer ließen sich zum Wochenende noch mal herrichten. Drei Typen saßen auf den Stühlen, zwei weitere warteten.
Ich nahm mir eine Zeitung. Die englische Presse wurde ganz von dem Prozess um den Yorkshire Ripper beherrscht. Mit dem Urteil wurde im Laufe des Tages gerechnet.
Sammy sah mich an und nickte. »Schuldig in allen Fällen«, sagte er. »Kam gerade im Radio.«
Gut. Ein Mistkerl weniger, um den wir Polizisten uns kümmern mussten. Als ich an die Reihe kam, verlangte ich kurz im Nacken und an den Seiten. Sammy machte sich ans Werk.
»Du magst doch Musik, oder? Dachte, du solltest das wissen. Rathaus. Morgen um neun ist da eine Auktion. Der gesamte Bestand von CarrickTrax.«
»Paul macht zu?«
»Er zieht nach Australien. Verkauft alles. Dreitausend Platten. Es bricht ihm das Herz. Klassik. Neues Zeug. Egal. Raritäten. Alles.«
»Ich komme«, sagte ich.
»Aye, ich auch. Du bist doch kein Beatles-Fan, oder?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
»Eher Stones?«
»Aye.«
»Also, hör zu, wenn du nicht auf die Beatles bietest, biete ich nicht bei den Stones mit. Okay?«
»Okay.«
»Was ist mit Mozart?«
Wie die Geier teilten wir die Sammlung unter uns auf, und ich fragte mich, wie viel Geld ich genau noch auf dem Konto hatte. Hundert Pfund? Hundertfünfzig? Ich hatte sechs Jahre lang gespart, um das Haus in bar bezahlen zu können. Aber das hier war eine einmalige Gelegenheit. CarrickTrax war der bestsortierte Plattenladen in East Antrim gewesen, alteingesessen. Was man da wohl finden konnte …
Dann wechselten wir das Thema. Er erzählte mir von Plattenverleihen in Moskau, dann kam er auf den Chor derRoten Armee zu sprechen und schließlich auf seinen Vater, der von den Japanern interniert worden war. »Faszinierende Leute, die Japaner. Sie sagen, der Tod sei leichter als eine Feder, aber die Pflicht schwerer als ein Berg …«
Ich hatte die Geschichte von den Erlebnissen seines Vaters in Burma schon zwei Mal gehört, also wechselte ich das Thema. »Was hältst du von dem Mädchen, das Prince Charles heiratet?«
»Wenn ich an das kleine Mädchen in den Klauen dieser korrupten Familie dekadenter Imperialisten denke …«
Als ich ging, regnete es wieder kräftiger. Ich überquerte die Gleise bei Barn Halt und besann mich wieder auf Lucy Moore.
»Deine Mutter hat dich nicht gesehen, Lucy, weil du auf der anderen Seite der Gleise gestanden hast und nach Larne zur Fähre wolltest. Stimmt’s? Du und dein Freund, ihr wolltet nach Glasgow wegen einer Abtreibung.
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