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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian McKinty
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sprach leiser. »Die Konservativen unter uns nehmen es vielleicht nicht auf die leichte Schulter, dass sie sich ein Kind andrehen lässt, während ich einsitze.«
    »Trotz der Scheidung?«, fragte ich.
    Seamus lachte. »Vor den Augen der Kirche gibt es keine Scheidung, oder?«
    Ich wollte gerade nachsetzen, doch in diesem Augenblick brüllte uns jemand von der anderen Seite des Besucherraums an. »Was ist denn hier los?«
    Ich drehte mich um und sah den Präsidenten von Sinn Fein, Gerry Adams, und einen anderen großen Mann, den ich nicht kannte, auf uns zumarschieren. Matty und ich standen auf.
    Adams tobte. »Sind Sie Polizist? Sind Sie ein Bulle? Wer hat Ihnen erlaubt, mit einem der Märtyrer zu sprechen?«, wollte Adams wissen.
    »Sollten Sie mit dem Ehrentitel Märtyrer nicht warten, bis sie tot sind?«, erwiderte ich.
    Falsche Reaktion. Adams sträubte sich der Bart.
    »Wer hat Ihnen erlaubt, mit einem unserer Kameraden zu sprechen?«
    »Ich untersuche den Tod seiner geschiedenen Frau.«
    Der andere Mann baute sich vor mir auf. »Es ist Ihnen nicht gestattet, ohne Anwesenheit eines Anwalts mit irgendeinem der Inhaftierten in unserem Flügel von Long Kesh zu sprechen«, stellte er in einem weichen Internatsakzent fest, der fast Englisch war.
    »Seamus macht es nichts aus«, beharrte ich.
    Der andere Mann ging gar nicht darauf ein. »Seamus, geh in deinen Abschnitt zurück. Denk dran, du wartest auf einen Anruf aus Amerika!«
    »Okay, Freddie«, lenkte Seamus ein, nickte mir leicht zu und verschwand schnell in Richtung Ausgang.
    »Und nun sollten Sie Ihrer Wege gehen, Polizist«, sagte ›Freddie‹. Er war ein großer Bursche, eins neunzig, kräftiggebaut, aber er wirkte völlig gelassen. Er hatte einen dunkleren Teint, trug einen maßgeschneiderten Anzug und eine grüne Seidenkrawatte. Sein schwarzes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf einem kleinen Schild am Revers stand »PRESS OFFICER«. Adams trug seinen üblichen weißen Aran-Pullover und wirkte neben seinem Begleiter ein wenig abgerissen. Das war noch nicht alles. Freddie hatte dunkelbraune – fast schwarze – Augen und eine lange, europäisch wirkende Nase; ein gut aussehender Kerl, der das auch wusste. Adams wirkte mit seinem Vollbart, der dicken Brille und den ungekämmten braunen Haaren mit den grauen Strähnchen ganz wie ein verschwiemelter linker Geschichtslehrer.
    »Sie sind nicht zufällig Freddie Scavanni, oder?«, fragte ich den anderen Mann.
    »Und wenn?«, fragte er sichtlich betroffen.
    »Ich habe versucht, auch mit Ihnen ein kleines Gespräch zu führen«, erklärte ich. »Ich habe gestern zwei Mal bei Sinn Fein angerufen, bin aber nicht weitergekommen.«
    »Wir führen keine kleinen Gespräche mit der Polizei«, sagte Freddie. Adams und Freddie drehten sich um und wollten gehen.
    »Einen Moment, die Herren, es dauert nur zwei Sekunden«, sagte ich.
    »Wir haben heute Morgen viel zu tun und müssen ins Hauptquartier zurück«, entgegnete Adams.
    »Ich brauche nur eine Sekunde Ihrer Zeit«, beharrte ich und stellte mich ihnen in den Weg.
    Man ging allgemein davon aus, dass Gerry Adams im Militärrat der IRA saß und deshalb so gut wie jeden in Irland jederzeit töten lassen konnte, wenn ihm danach war. Aus seinem Mund den Satz: »Gehen Sie uns aus dem Weg, Constable, sonst werden Sie das noch bedauern«, zu hören, war also eine solide Anzahlung auf ein gutes Jahr voller Alpträume.
    »Aye, lass uns frische Luft schnuppern, Gerry«, sagte Freddie.
    »Einen Augenblick! Sie werden sich das sicher anhören wollen. Ich denke, wir können uns gegenseitig helfen«, sagte ich.
    »Wie das?«, wollte Adams wissen.
    »Wir haben gestern miteinander telefoniert, Mr Adams. Ich bin der leitende Ermittler im Fall Tommy Little, und ich muss mit Mr Scavanni über Tommy reden. Tommy war auf dem Weg zu Mr Scavanni, bevor er verschwand.«
    Ich hatte gehofft, Adams mit dieser Information vielleicht zu überraschen, aber offenbar wusste er es bereits. Das ergab Sinn. Scavanni würde nicht mehr für Sinn Fein arbeiten, wenn er nicht von der IRA überprüft und entlastet worden wäre.
    »Es geht hier augenscheinlich um einen Serienmörder, der es auf Homosexuelle abgesehen hat, Mr Adams. Das ist eine ziemlich sensationelle Story, und sobald der Ripper-Prozess in England vorüber ist, werden die britischen Schundblätter sich verzweifelt auf so etwas stürzen, bis es mit der Royal Wedding endlich so weit ist. Hier treffen sich unsere Interessen.

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