Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
brauchte keine weitere Aufforderung. Wir hatten harten, animalischen Sex, dann stieg sie auf mich, und wir taten es noch mal.
Ich schlief ein, bis sie mich gegen halb zwei kräftig schüttelte. »Mein Mann kommt um zwei von der Nachtschicht«, sagte sie. »Zieh dich an und verschwinde.«
»Machst du Witze?«
»Er ist Schweißer, er bricht dich in zwei Teile, kleiner Mann, und jetzt verschwinde.«
Ich musste fünf Meilen im Regen nach Hause laufen.
Als ich in der Coronation Road ankam, war ich erledigt. Ich riss mir die nassen Sachen vom Leib, zündete den Petroleumofen an und legte Velvet Underground and Nico auf. Ich schob den Tonarm bis zu »Venus in Furs« vor und drückte auf Repeat. Als John Cages verrückte Viola und Lou Reeds Ostrich Guitar losdroschen, ging ich ans Bücherregal, zog die Britannica Encyclopedia of Art heraus und blätterte durch die Jahrhunderte, bis ich zu Orpheus in der Unterwelt von Jan Brueghel dem Älteren kam. Ich lag vor der Heizung, der Regen nahm zu, die Badezimmerfenster klapperten im Wind. Ich betrachtete Brueghels Hölle: fliegende Dämonen, Feuer,gequälte Seelen und im Vordergrund eine Dame in recht hübschen Kleidern mit entblößter Brust.
Ich lag da und ließ die Minuten vergehen. Minuten. Stunden. Die ganze Ewigkeit. Ich dachte an Orpheus, wie er im Reich des Hades nach seiner Geliebten sucht. Ich dachte an Laura und Heather. Ich dachte an Tommy und Walter. Ich suchte nach einem Sinn. Aber da war nichts. Alles Unsinn. Alles. Das Ganze hatte Methode, aber keinen Schlüssel. Die spielen alle nur mit uns, dachte ich.
Pünktlich um drei Uhr früh gingen die Lichter aus.
12
INS GRAB BEISSEN
Wenn man den Zeitungen Glauben schenken konnte, dann gab es in der Welt nur zwei wichtige Dinge: die Royal Wedding und den Hungerstreik der IRA; ein Brennpunkt war die Barockkuppel der St Paul’s Cathedral, London, der andere die Mitte eines sauren, sumpfigen Teils des Lagan Valley westlich von Lisburn – das Maze-Gefängnis.
Das Maze war 1971 im Nachklang der desaströsen Operation Demetrius errichtet worden, dem verzweifelten Versuch, die Unruhen einzudämmen, indem man Hunderte vermeintliche IRA-Mitglieder verhaftete. Zu Beginn waren sie in Hütten auf dem Gelände der früheren RAF-Basis in Long Kesh untergebracht worden, doch schließlich wurde um sie herum das Maze-Gefängnis errichtet, mit seinem riesigen Zaun und den acht aus Beton errichteten »H-Blocks«.
Viele der Einsitzenden hatten keinerlei Verbindung zur IRA gehabt, doch das hatte sich nach sechs Monaten oder gar einem Jahr Inhaftierung durch die Briten mit Sicherheit geändert. Die Briten waren schon immer Experten darin gewesen, in Irland bei jeder sich bietenden Gelegenheit Öl ins Feuer zu gießen: Niederschlagung des Osteraufstandes, Bloody Sunday, »Internment«-Politik – alles hervorragende Rekrutierungsmaßnahmen für die Radikalen.
Nach dem Ende der Internierungen und der Freilassung der Gefangenen wurde entschieden, dass IRA-Mitglieder nur dann ins Gefängnis kommen sollten, wenn sie auch tatsächlich wegen eines Verbrechens verurteilt worden waren: Mord, Verschwörung mit dem Ziel eines Bombenattentats, illegaler Waffenbesitz usw. Zu Beginn waren den IRA-Häftlingen allerdings besondere Bedingungen zugestanden worden, weil man ihre Verbrechen als politisch bedingt erachtete.
1976 entzog der Staatssekretär für Nordirland ihnen diesen Status allerdings wieder. Die Gefangenen protestierten auf vielerlei Weise dagegen; am bekanntesten waren die Weigerung, Gefängniskleidung zu tragen, und das Beschmieren der Zellenwände mit Exkrementen.
1979 kehrten die Tories an die Macht zurück, und natürlich weigerte sich Mrs Thatcher, »Terroristen nachzugeben«, und wollte nichts vom Sonderstatus wissen. Damit begannen die Hungerstreiks. Ich hatte dafür durchaus Sympathien gehegt. Bobby Sands, Frankie Hughes und die anderen versuchten einfach nur, den Status quo ante von 1976 zu erwirken.
Bobby Sands’ Wahl zum Parlamentsabgeordneten und sein Ableben nach sechsundsechzig Tagen Hungerstreik waren in Irland das Medienereignis des Jahrzehnts gewesen, und die Rekrutierungsoffiziere der IRA hatten Hunderte von jungen Männern und Frauen abweisen müssen. Es tat meinem Seelenfrieden durchaus nicht gut zu wissen, dass ich für dieselben Leute in London arbeitete, die sich derartig inkompetent gezeigt hatten.
Matty fuhr bis an die Gefängnismauern, grau und dick und gekrönt von Bandstacheldraht. Ich schaltete die
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